«Unser Angebot bauen wir weiter aus»

Ende Mai wurde der Lenzburger Stadtrat Martin Steinmann zum neuen Verwaltungsratspräsidenten der SWL Energie AG gewählt. Im Interview sprechen er und Direktor Markus Blättler unter anderem über die Energiewende, wie sich das Unternehmen auf die Zukunft vorbereitet und wie sich die Strompreise entwickeln.

Was haben Sie sich bei Ihrer Wahl für dieses Amt vorgenommen?

Martin Steinmann (ST): Ich habe mir keine besonderen Vorsätze gemacht, sondern möchte dazu beitragen, dass die SWL Energie AG ihre erfolgreiche Tätigkeit der letzten Jahre weiterführt. Besonders wichtig sind mir die Beziehungen zu Industrie und Gewerbe in der Region. Da bringe ich mich gerne ein und begleite Markus Blättler beispielsweise zu wichtigen Treffen mit Grosskunden.

Einerseits vertreten Sie die Interessen der Bevölkerung, die sich eine zuverlässige Energieversorgung zu möglichst tiefen Preisen wünscht. Andererseits kommen Ihnen als Vertreter der Stadt hohe Dividenden und Konzessionsabgaben gelegen. Wie gehen Sie mit dieser doppelten Rolle um?

ST: Da sehe ich keinen Widerspruch. Wenn das Unternehmen gut funktioniert und finanziell auf sicheren Beinen steht, profitieren sowohl die Stadt als auch die Bevölkerung. Denn das Geld, das über Dividenden in die Stadtkasse fliesst, vermindert die Belastung des einzelnen Steuerzahlers.

Verschiedene Schweizer Energieversorger gerieten in den letzten zwei Jahren finanziell ins Wanken und mussten sogar Stellen abbauen. Die SWL Energie AG hingegen weist solide Gewinne aus. Was machen Sie besser?

Markus Blättler (BL): Erstens haben wir eigene Endkunden. Das ist bei manchen grösseren Energieunternehmen nicht der Fall, weshalb sie deutlich stärker den Marktkräften ausgesetzt sind. Zweitens bieten wir neben Strom zahlreiche weitere Produkte und Dienstleistungen an. Diese bauen wir bewusst aus, etwa in den neuen Bereichen Holzenergie und Telematik. Da haben wir in den letzten Jahren vieles richtig entschieden. Und natürlich gehört auch etwas Glück dazu.

ST: Im Moment profitieren wir finanziell davon, dass wir nicht an Kraftwerken beteiligt sind. Denn der Strom kann sehr günstig an den Energiebörsen eingekauft werden. Längerfristig bleibt es aber unser Ziel, den benötigten Strom zum Teil selber zu produzieren.

Sie haben es gerade erwähnt: Zurzeit liegen die Strompreise in der Schweiz und in ganz Europa enorm tief. Bleibt das die nächsten Jahre so?

ST: Ja, ich gehe davon aus, dass die elektrische Energie noch eine ganze Weile so günstig bleibt. Doch von den gesamten Stromkosten macht der Preis für die Energie – also für den eigentlichen elektrischen Strom – nur einen Teil aus. Der Rest sind Gebühren fürs Stromnetz sowie verschiedene Abgaben. Und diese steigen tendenziell.

BL: Bei den meisten Privatkunden sind die Stromkosten ohnehin ein relativ kleiner Budgetposten. Sogar wenn die Preise deutlich steigen oder sinken, fällt der Unterschied in Franken nur gering aus und entspricht pro Monat vielleicht dem Preis einer Tasse Kaffee.

Der Wettbewerb unter den Schweizer Energieversorgern um die Grosskunden hat sich in den letzten zwei Jahren stark verschärft und dürfte noch deutlich zunehmen. Wie reagieren Sie darauf?

BL: In erster Linie suchen wir Kooperationen mit anderen Energieunternehmen, um Synergien zu nutzen, gemeinsam Wissen aufzubauen und die Kosten zu senken. Zudem verändern wir unsere Organisation: Die grössten Kunden sollen künftig nur noch eine Ansprechperson für alle Anliegen haben und Gesamtangebote von uns erhalten. Denn gerade Geschäftskunden wünschen sich einfache und günstige Lösungen.

In den letzten Jahren nimmt die SWL Energie AG in vielen Bereichen eine ökologische Pionierrolle ein. Stichworte sind etwa Holzenergie, Brennstoffzellen-Heizungen und Strom ausschliesslich aus erneuerbaren Energien. Ist das eine bewusste Strategie oder haben Sie einfach gute Gelegenheiten genutzt?

ST: Beides. Beispielsweise ergab sich bei der Überbauung «Viehmarkt» die Möglichkeit, fürs Heizen Holzschnitzel zu nutzen. Diese Chance haben wir gepackt und daraus gleich ein ganzes Geschäftsfeld aufgebaut.

BL: Zudem haben wir in den letzten Jahren erkannt, dass sich bei unseren bisherigen Angeboten nur noch bedingt Wachstumsmöglichkeiten ergeben. Und nicht zuletzt entspricht unser ökologisches Engagement auch einem Kundenbedürfnis. Bei Befragungen stellten wir fest, dass unseren Kunden dieses Thema wichtig ist, wir von ihnen aber eher schlecht beurteilt wurden. Da war uns klar: Wir müssen uns für die Umwelt stärker einsetzen – und unsere Aktivitäten besser kommunizieren.

Wie stehen Sie zum Ausstieg aus der Kernenergie? Erachten Sie die Energiewende als realistisch?

BL: Aus heutiger Sicht finden neue Kernkraftwerke in der Schweiz politisch keine Mehrheit. Deshalb brauchen wir andere Lösungen, wie wir den Strom künftig produzieren. Diese Lagebeurteilung des Bundesrats erachte ich als richtig. Insofern unterstütze ich die Idee einer Energiewende. Allerdings ist der Zeithorizont der neuen Energiestrategie bis 2050 sehr weit gesetzt. Das ist eine Periode, die wir noch nicht überblicken können – weder technologisch, noch wirtschaftlich oder politisch. Hinzu kommt, dass wir nicht nur den Strom aus der Kernenergie ersetzen, sondern auch unseren CO2-Ausstoss reduzieren müssen, indem wir beispielsweise den Erdöl-Verbrauch stark senken. Und selbst das Erdgas soll nach dem Willen einiger Politiker künftig eine weniger wichtige Rolle spielen. Da stellt sich die Frage, ob wir nicht zu viel auf einmal wollen. Immerhin: Ich sehe ein grosses Potenzial bei der Energieeffizienz. Und es macht Sinn, auf dem Weg zur Energiewende Etappenziele festzulegen, zu denen sich das Stimmvolk äussern kann – besonders, wenn es um die finanziellen Konsequenzen geht.

ST: In den letzten Jahren wurden im Energiebereich alle Sparmassnahmen und Effizienzsteigerungen durch das Bevölkerungswachstum wieder ausgeglichen. Da erscheint es wenig realistisch, dass der Atomstrom einmal abgestellt und gleichzeitig die fossilen Energien ersetzt werden können. Dann wären wir einfach viel stärker von ausländischem Strom abhängig – etwa von Strom aus französischen Kernkraftwerken.

BL: Das Problem bei der Energie ist nicht, dass es zu wenig davon gibt. Sie ist schlicht zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort und in der falschen Art vorhanden. Damit die Energiewende gelingt, müssen wir Energie künftig also einfacher speichern, wandeln und transportieren können. Da sehe ich eine grosse Chance fürs europäische Gasnetz, das über riesige Kapazitätsreserven verfügt. Heute lässt sich Strom in synthetisches Erdgas verwandeln, im Gasnetz über weite Strecken transportieren und wieder in Strom zurückwandeln. Solche Konzepte müssen wir vorantreiben.

Im Zusammenhang mit der Energiewende wird oft von der intelligenten Energieversorgung gesprochen. Was bedeutet das konkret für die Kunden? Wie sieht die Energieversorgung der Zukunft aus?

BL: Für die Kunden ändert sich nicht viel. Eine erste Folge ist, dass unser Ableser bald nicht mehr zu ihnen ins Haus kommt. Denn wir sind daran, alle konventionellen Strom-, Gas- und Wasserzähler durch intelligente Modelle zu ersetzen. Mit diesen können wir den Verbrauch aus der Ferne auslesen. In den nächsten Jahren entstehen zudem bei einigen Kunden kleine «Zuhause-Kraftwerke», mit denen sie einen Teil ihres Stroms selber produzieren – etwa mit einer Brennstoffzelle. Solche Anlagen machen erst mit einer intelligenten Energieversorgung Sinn: Wir werden sie so steuern können, dass sie zum richtigen Zeitpunkt Strom produzieren, zum Beispiel wenn Solarstromanlagen gerade wenig Energie liefern. Intelligenz bedeutet in unserer Branche also, dass alle Anlagen miteinander kommunizieren und perfekt aufeinander abgestimmt sind.