Welche Schwerpunkte verfolgt die neue Programmstrategie von EnergieSchweiz?
Patrick Kutschera: Die Dynamik im Energieumfeld hat stark zugenommen – einerseits durch technologische Innovation und Digitalisierung, andererseits durch die energiepolitischen Ansprüche. Demzufolge muss sich auch EnergieSchweiz noch dynamischer aufstellen. Der Fokus der neuen Strategie liegt auf drei Handlungsfeldern, bei denen wir mit freiwilligen Massnahmen eine gute Wirkung erzielen können: erstens die Mobilität von Unternehmen und Privaten, zweitens die privaten Wohngebäude samt Nutzung von erneuerbaren Energien und drittens Anlagen und Prozesse von Unternehmen. Zusätzlich verfolgen wir weitere Themen mit tieferer Priorität.
Was ändert sich gegenüber dem bisherigen Programm?
Wir orientieren uns weniger an den Technologien, sondern vermehrt an den Zielgruppen und ihren Bedürfnissen. Ein Beispiel ist das Projekt «Erneuerbar heizen», das wir vor etwa einem Jahr lancierten. Es umfasst verschiedene Technologien. Im Zentrum steht aber immer die Zielgruppe: die Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer mit ihren Fragen wie «Was mache ich, wenn meine Heizung das Ende ihrer Lebensdauer erreicht?». Zudem verstärken wir den Bereich Aus- und Weiterbildung, da sich bei verschiedenen Berufen der Energie- und Gebäudetechnikbranche ein Fachkräftemangel abzeichnet oder schon eingetroffen ist. Wir sind überzeugt, dass wir in diesem Bereich zusätzlich investieren müssen. Zahlreiche Energiethemen werden immer komplexer. Da braucht es entsprechendes Fachwissen. Wir können noch so viele Vorschriften machen und Förderprogramme auflegen: Wenn es zu wenig Fachkräfte gibt, werden die notwendigen Massnahmen nicht schnell genug realisiert.
Welche Ziele verfolgt EnergieSchweiz in den kommenden Jahren?
Bei der Entwicklung der Strategie haben wir ein Wirkungsmodell erarbeitet. An erster Stelle stehen die übergeordneten Ziele wie Energieeffizienz, erneuerbare Energie oder CO2-Emissionen. Davon wurden Ziele für die einzelnen Zielgruppen abgeleitet. Zusammen mit unseren externen Partnern haben wir überlegt, was es braucht, um die Zielgruppen auf die Reise mitzunehmen. Für den Ersatz von fossilen Heizungen zum Beispiel haben wir als Ziel, dass jedes Jahr 10% weniger fossile Heizungen durch nicht erneuerbare Heizsysteme ersetzt werden. Damit würden wir ab 2030 keine fossilen Heizungen mehr installieren.
Wenn es um die Energiestrategie 2050 geht, ist meist vor allem von den erneuerbaren Energien die Rede. Die Energieeffizienz steht etwas im Schatten. Woran liegt das?
Ich sehe das nicht so. Die Ziele der Energiestrategie 2050 lassen sich nur durch die beiden Pfeiler zusammen erreichen. Oft sind erneuerbare Energien und Energieeffizienz direkt miteinander verknüpft. Wenn ich eine Ölheizung durch eine Wärmepumpe ersetze und dafür erneuerbaren Strom verwende, heize ich nicht nur erneuerbar, sondern auch effizienter. Möglicherweise geniesst die Energieeffizienz zurzeit weniger kommunikative Aufmerksamkeit als die Erneuerbaren. Aber die Schweiz kann in diesem Bereich grosse Erfolge vorweisen: Bei der Effizienz der Haushaltsgeräte und der Beleuchtung etwa haben wir beträchtliche Fortschritte gemacht. Auch Instrumente wie der Gebäudeenergieausweis der Kantone (GEAK), der Minergie-Standard oder das Netzwerk Nachhaltiges Bauen Schweiz (NNBS) sind bestens etabliert. Nichtsdestotrotz wollen wir die Aktivitäten weiter verstärken. Wir versuchen zum Beispiel, andere Mobilitätsformen zu fördern. Elektroautos sind energieeffizient, aber das Velofahren ist noch effizienter.
Halten Sie es für realistisch, dass die Energieeffizienz auch mit einer Verhaltensänderung der Bevölkerung gesteigert wird? Oder erreicht die Schweiz dieses Ziel primär durch technische Effizienzsteigerungen – also über Sanierungen und den Ersatz von Geräten, Anlagen und Fahrzeugen?
Das Engagement der Bevölkerung ist das A und O für das Gelingen der Energie- und Klimapolitik. Die Frage «Verhaltensänderungen oder Technologien?» stellt sich nicht – das geht Hand in Hand. Wenn ich bisher ein Auto mit Benzinmotor hatte und nun auf ein Elektroauto umsteige, ist das auch eine Verhaltensänderung. Es braucht also ein geändertes Verhalten, um von einer Technologie zur anderen zu wechseln, diese zu akzeptieren und in den Alltag zu integrieren. Ich finde es schade, dass Veränderungen oft mit Verzicht gleichgesetzt werden. Denn dank fortschrittlicher Technologien können wir unseren Komfort beibehalten und gleichzeitig den Energieverbrauch reduzieren. Sicher gibt es bei der Nutzung neuer Technologien einige Hemmnisse, weil sie teilweise auch mehr Komplexität mit sich bringen. Doch hier lassen sich einfache Wege finden, um den Zielgruppen die Berührungsängste zu nehmen. Bei unseren Projekten «Make heat simple» und «Erneuerbar heizen» zum Beispiel adressieren wir diese Hemmnisse konkret und unterstützen die Zielgruppen.
Wo sollten die Stadtwerke vor allem ansetzen, wenn sie die Energieeffizienz ihrer Kundinnen und Kunden verbessern möchten?
Die Stadtwerke sind nahe bei der Bevölkerung. Deshalb spielen sie bei der Umsetzung der Energiestrategie eine bedeutende Rolle. Wichtig erscheint mir, die Bedürfnisse der Zielgruppen genau zu verstehen und mögliche Hemmnisse anzusprechen. Dafür braucht es Beratung, Dienstleistungen und eine Kommunikation, die Daten visualisiert. Denn viele Leute motiviert es, wenn sie sehen, wie stark sie den Energieverbrauch durch ihre Massnahmen senken. Seitens der Installateure höre ich oft, dass ihr administrativer Aufwand wegen mehr und unterschiedlichen Vorschriften in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Den Installateuren ist viel geholfen, wenn die Energieversorger ihre Vorschriften vereinfachen und besser aufeinander abstimmen. So lässt sich die praktische Umsetzung von Effizienzmassnahmen beschleunigen. Insgesamt kann das Engagement der Stadtwerke für eine höhere Energieeffizienz eine Chance sein, um neue Geschäftsmodelle und Dienstleistungen zu entwickeln.
«Die Frage «Verhaltensänderungen oder Technologien?» stellt sich nicht – das geht Hand in Hand.»