Frauennetzwerk gegen Männerbastion

Die von Fachkräftemangel geplagte Energiebranche sucht verzweifelt mehr Frauen. Der Zuspruch ist gross.


von Florence Vuichard (CH Media)

Das Essen war auf dem Tisch, die Stimmung ausgelassen am grössten und auch populärsten Stelldichein der heimischen Energiebranche, der «Smart Energy Party» in der Umwelt-Arena im aargauischen Spreitenbach. So ausgelassen, dass die damalige Energieministerin und Referentin Doris Leuthard als ein «besonderer Leckerbissen» angekündigt wurde. Die Bundesrätin parierte den sexistischen Spruch mit Humor und erntete viele Lacher von den rund 1000 mehrheitlich männlichen Teilnehmern. Die Episode ist ein paar Jahre her, in der Energiebranche hat sich aber seitdem nicht viel getan. Sie ist noch immer eine Männerbastion – und das, obwohl eine Zeit lang drei Energie-Topjobs mit Frauen besetzt waren: Nebst Leuthard als Energieministerin hatten zwei der drei grossen Stromkonzerne, Alpiq und BKW, mit Jasmin Staiblin respektive Suzanne Thoma eine Frau als Chefin. Und bei Alpiq steht mit Antje Kanngiesser auch heute noch eine Frau an der Spitze. Das sind Ausnahmen, wie auch einige Männer in der Branche mit einem gewissen Missfallen feststellen. Denn ihnen ist es nicht entgangen, dass es die Dominanz der Männer ist, die viele Frauen davon abhält, bei einem Energieunternehmen ihre Berufskarriere zu starten oder später in ein solches umzusteigen. Angesichts des grossen Fachkräftemangels ein grosses Problem, das nicht nur diversitätsaffine Berater umtreibt.

Ende Juni ist das Zürcher Stadtwerk EWZ beigetreten

Ein Mittel, die Eintrittshürde für Frauen wenigstens ein bisschen zu senken, besteht darin, jene Frauen, die bereits in der Energiebranche tätig sind, sichtbarer zu machen und miteinander zu vernetzen. Deshalb hat Swisspower, der Verbund der Stadtwerke, am 8. März einen Aufruf zur Gründung des ersten Frauennetzwerks der Schweizer Energiewirtschaft lanciert. Und das mit überraschendem Erfolg: «Wir wurden regelrecht überrannt », sagt Luise Letzner, die das Projekt bei Swisspower verantwortet. Der Kick-off-Event im Bundeshaus von «Women in Power», wie das Netzwerk heisst, war restlos ausgebucht. Die Liste der Mitgliederorganisationen ist mittlerweile auf 27 angewachsen – mit insgesamt 6500 Mitarbeitenden. Angeschlossen haben sich Energiewerke wie das EWB der Stadt Bern, die Basler IWB oder die Zentralschweizer CKW, aber auch der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen, die Dachorganisation der Wirtschaft für erneuerbare Energien und Energieeffizienz AEE Suisse, die Universität St.Gallen oder die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa. Jüngstes und mit rund 1200 Mitarbeitenden grösstes Mitglied ist das EWZ. Das Stadtzürcher Elektrizitätswerk ist Ende Juni beigetreten, wie Gabriela Grab Hartmann, Leiterin der EWZ-Unternehmensentwicklung, betont. «Wir müssen angesichts des Fachkräftemangels mehr Frauen für die Energiebranche begeistern.» Heute seien weniger als 20 Prozent aller EWZ-Mitarbeitenden Frauen, das Potenzial hier sei sehr gross. «Wenn wir es schaffen, mehr Frauen in die Energiebranche zu lotsen, dann vergrössern wir unsere Rekrutierungsbasis.» Und dazu könne ein solches Netzwerk viel beitragen. Das EWZ betreibe seit 2016 ein firmeninternes Frauennetzwerk, «und wir haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht». Nicht dabei sind die drei Grossen im hiesigen Stromgeschäft: Axpo, Alpiq und BKW. Oder jedenfalls bisher noch nicht. Bei der BKW wird eine Mitgliedschaft bei «Women in Power» derzeit geprüft, wie Sprecherin Sarah Steinmann festhält. Und auch bei Axpo sind die Signale positiv: «Wir finden das grundsätzlich eine tolle Sache und schauen es zurzeit gerade an», sagt Sprecher Martin Stucki. Auch Alpiq begrüsst die Initiative des Netzwerks «Women in Power», wie Firmensprecher Guido Lichtensteiger betont. Gleichzeitig kritisiert er den geografisch engen Fokus des Netzwerkes, das sich vor allem an Deutschschweizer Energieunternehmen richte. Alpiq als «europaweit tätiges Unternehmen mit Hauptsitz in Lausanne » wünscht sich für solche Netzwerke eine «branchenübergreifende und gesamtschweizerische Ausrichtung, damit alle unsere Mitarbeitenden gleichberechtigt von den Angeboten profitieren können ». Daher habe sich Alpiq entschieden, «vorerst nicht als aktives Mitglied beizutreten», sagt Lichtensteiger. Hingegen würden Mitarbeiterinnen unterstützt, die sich bei «Women in Power» engagieren und an Veranstaltungen teilnehmen möchten.

Vorerst nur in der Deutschschweiz

In der Tat konzentriert sich «Women in Power» derzeit auf die Deutschschweiz. «Wir mussten irgendwo anfangen», sagt Letzner. «Aber natürlich wollen wir wachsen und ein gesamtschweizerisches Netzwerk werden. Wir prüfen derzeit den Aufbau des Netzwerks in der Romandie und im Tessin.» Der Mitgliederbeitrag richtet sich nach der Grösse der Firma oder Organisation und beträgt 5 Franken pro Mitarbeiterin oder Mitarbeiter – mindestens aber 1000 und maximal 7500 Franken. «Wir wollen für alle zugänglich sein», sagt Letzner. Auf der Agenda von «Women in Power» stehen nun Vernetzungsanlässe und verschiedene Workshops. Auch der fachliche Austausch finde vermehrt statt, sagt Letzner. Sollte das neu gegründete Netzwerk tatsächlich dazu beitragen, dass sich künftig mehr Frauen für die Energiebranche entscheiden, dann leistet dies nicht nur einen Beitrag gegen den Fachkräftemangel, wie Luise Letzner anmerkt. Mehr Diversität führe auch zu mehr Diskussionen, zu unterschiedlichen Ideen und Wahrnehmungen und letztlich zu mehr Innovation.

(CH Media)