Grünes Licht für den «Windexpress»: Was das Parlament beschlossen hat

Nach dem «Solarexpress» für alpine Solaranlagen rollt nun auch der «Windexpress» los: In der Sommersession hat das Parlament das dringliche Gesetz zur Beschleunigung fortgeschrittener Windparkprojekte verabschiedet. Was ändert sich dadurch? Antworten auf zehn wichtige Fragen.

1. Warum will das Parlament bei der Windenergie plötzlich schnell vorwärtsmachen?

Wegen der drohenden Winterstromlücke. Die Windenergie hat das Potenzial, zu einem tragenden Pfeiler für die Stromversorgung im Winter zu werden. Denn zwei Drittel des Windstroms werden im Winter produziert. Somit ergänzt die Windenergie die Wasserkraft und die Solarenergie perfekt, die beide im Winter weniger Strom liefern.

2. Wie gross ist das Potenzial der Windenergie?

Laut einer Potenzialstudie des Bundesamts für Energie von 2022 könnte die Schweiz 29,5 TWh Strom mit Windkraft produzieren, davon allein 19 TWh im Winterhalbjahr. Nutzt die Schweiz 30 Prozent dieses Potenzials, wozu rund 1000 Windenergieanlagen nötig sind, ergibt sich immer noch eine erhebliche Menge Windstrom von 8,9 TWh pro Jahr, davon 5,7 TWh im Winter.

3. Was ändert sich bei der Windenergie durch das vom Parlament beschlossene Gesetz?

Vorab: Das Gesetz gilt nur für Windenergieprojekte, für die eine bewilligte Nutzungsplanung vorliegt – die dafür also alle gerichtlichen Instanzen auf kommunaler und kantonaler Ebene sowie auf Bundesebene durchlaufen haben. Bei diesen Projekten werden die Rechtsmittel gegen die nachfolgende Baubewilligung eingeschränkt. Diese kann nur noch vor dem obersten kantonalen Gericht angefochten werden. Ein Weiterzug ans Bundesgericht ist lediglich zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung zulässig.

4. Gilt dieser «Windexpress» für alle künftigen Projekte, sobald deren Nutzungsplanung bewilligt ist?

Nein. Das beschleunigte Verfahren gilt, bis Windenergieanlagen mit einer zusätzlichen Leistung von 600 MW installiert sind. Das entspricht einer Jahresproduktion von ungefähr 1 TWh.

5. Warum ist das Gesetz überhaupt nötig?

Weil die meisten Windenergieprojekte durch Einsprachen auf allen Ebenen verzögert oder sogar blockiert werden. Bei manchen davon hat die Planung vor fast 20 Jahren begonnen. Um die Verfahren zu beschleunigen, hat die Energiekommission des Nationalrats im September 2022 eine parlamentarische Initiative eingereicht. Das Bundesgesetz über die Beschleunigung der Bewilligungsverfahren für Windenergieanlagen ist nun die Umsetzung dieser Initiative.

6. Wie stark werden die betroffenen Projekte durch das Gesetz verkürzt?

Die Genehmigungsverfahren für diese Windparks werden laut dem Verein Suisse Eole um ungefähr zwei Jahre verkürzt. Die Situation für die Projekte ändert sich also nicht grundlegend. Aber es ergibt sich eine Abkürzung auf der letzten Meile.

7. Der Ständerat hat das Gesetz gegenüber der Vorlage des Nationalrats noch angepasst. Was hat geändert?

Der Ständerat will sicherstellen, dass die betroffenen Standortgemeinden einbezogen werden und die zu beschleunigenden Projekte demokratisch legitimiert sind. Deshalb hat er ins Gesetz eine Bedingung eingebaut: Das beschleunigte Bewilligungsverfahren kommt nur zur Anwendung, wenn die betroffenen Gemeinden dem Projekt im Rahmen der Nutzungsplanung zugestimmt haben. Davon ausgenommen sind Kantone, welche die Kompetenz zur Nutzungsplanung für Windenergieprojekte durch eine demokratische Entscheidung auf die kantonale Ebene verschoben haben – etwa der Kanton Neuenburg.

8. Welche laufenden Windparkprojekte können vom neuen Gesetz profitieren?

Gemäss dem Verein Suisse Eole sind derzeit die Windparks Grenchenberg, EolJorat Sud, Sur Grati, Mollendruz und Charrat vom neuen Gesetz betroffen. Sie haben bereits grünes Licht vom Bundesgericht erhalten. Gesamthaft werden diese Windparks jährlich ungefähr 263 GWh Windstrom produzieren. Auch die Windparks Montagne de Buttes und Bel Coster, für welche die Entscheidung des Bundesgerichts zum Nutzungsplan noch aussteht, könnten vom «Windexpress» profitieren. Sie würden zusammen rund 170 GWh Strom pro Jahr liefern.

9. Sind auch Swisspower-Stadtwerke betroffen?

Ja, gleich drei. Der Windpark auf dem Grenchenberg ist ein Projekt der SWG, der Windpark EolJorat Sud eines der Service industriels de Lausanne bzw. des städtischen Unternehmens SI-REN SA. SIG wiederum ist an der Betriebsgesellschaft Verrivent SA beteiligt, die das Windparkprojekt Montagne de Buttes realisiert.

10. Wann tritt das Gesetz in Kraft?

Voraussichtlich per 1. Januar 2024, sofern kein Referendum zustande kommt.