Nach den ersten Monaten werden neue CEOs oft gefragt, was sie in ihrem Unternehmen verändern möchten. Daher für einmal die Frage: Was können Sie bei Energie Kreuzlingen ganz bewusst unverändert belassen?
Stefan Wehrli: Ich habe ein motiviertes Team: Menschen, die engagiert bei der Sache sind, sich für ihre Arbeit interessieren – aber auch offen sind für Neues. An dieser Motivation möchte ich nichts ändern. Sie ist nötig, damit wir in einen positiven Veränderungsprozess einsteigen können. Denn wir befinden uns in einem starken Wandel.
Welche Themen wollen Sie mit hoher Priorität anpacken?
Vor allem die Digitalisierung unseres Unternehmens. Da stellt sich natürlich immer die Frage, was man darunter versteht. Ich denke etwa an digitale Tools für die Planung oder an die Integration von künstlicher Intelligenz in unsere Prozesse. Gerade der Fachkräftemangel zwingt uns, Methoden und Prozesse wo möglich anzupassen, zu digitalisieren und zu automatisieren, wenn wir auf einem Gebiet zu wenig Fachleute finden.
Bisher waren Sie in einem Software-Unternehmen für die Energiebranche tätig. Welche Erfahrungen aus dieser Zeit kommen Ihnen bei Ihrer neuen Aufgabe zugute?
Die Bereiche Digitalisierung und Prozessoptimierung sind mir bestens vertraut – mit allem, was dahintersteht. Meine Erfahrung zeigt: Mit der richtigen Software lassen sich viele Arbeiten schneller und effizienter erledigen. Aber das muss immer in einem Tempo geschehen, bei dem die Mitarbeitenden mithalten können. Denn hinter allen Prozessen stehen Menschen. Diese gilt es mitzunehmen. Sonst überreizt man das ganze System.
Für Leserinnen und Leser, die Ihr Unternehmen noch nicht gut kennen: Wie positioniert sich Energie Kreuzlingen am Markt?
Zuverlässig, marktnah und mit einem frischen Auftritt. Unsere Corporate Identity kommt dynamisch daher. In der Kommunikation treten wir modern auf – wie es sich für einen Energieversorger auf Höhe der Zeit gehört. Das zeigt sich auch darin, dass wir bei den Marktkunden eine grosse Akzeptanz geniessen. Ich habe inzwischen mehrere davon besucht. Sie haben mir bestätigt: Wir machen einen guten Job.
Welche Schwerpunkte setzen Sie bei der Energieeffizienz und den erneuerbaren Energien?
Beides sind für uns sehr wichtige Themen. Bei der Abstimmung zum Klimaschutzgesetz am 18. Juni haben wir gesehen, dass diese Themen auch die Bevölkerung bewegen. Wir wollen ein verlässlicher Ansprechpartner sein im Bereich der dezentralen Energieversorgung – etwa rund um Eigenproduktion, Speicher und Elektromobilität. Wir bieten zwar keine eigenen Installationsdienstleitungen an, beraten die Kundinnen und Kunden aber dazu, wie sie ein solches Projekt am besten angehen. Und natürlich zeigen wir ihnen, wie sie die Energieeffizienz verbessern und Energie sparen können.
Wie sollten sich die Schweizer Stadtwerke in den kommenden Jahren weiterentwickeln?
Wir Stadtwerke müssen uns noch stärker mit der IT-Security und der Sicherheit unserer Anlagen beschäftigen. Denn die Berichterstattung in den Medien zeigt: Kritische Infrastrukturen werden immer häufiger angegriffen. Weiterentwickeln müssen wir uns zudem im Umgang mit Daten – Stichwort Datentransparenz. Hier stehen gleich mehrere wichtige Aufgaben an: die Bewältigung der Datenflut, das Interpretieren von Daten, die Aufbereitung für die Kundschaft, damit sie ihre Daten selbst nutzen kann. Früher hiess es immer: Die Grundversorgung beim Strom besteht aus klassischen Profilen mit den klassischen Schwankungen. Heute ist das anders. Mit Eigenproduktion, Speichern und Elektromobilität verändern sich die Profile laufend. Da sind wir als Netzbetreiber auf eine hohe Datenqualität angewiesen.
Wo sehen Sie innerhalb der Branche sinnvolle Kooperationen?
Unter anderem bei IT-Sicherheit, Energiebeschaffung, Pikettdienst, Wartung und Unterhalt – also in verschiedenen Bereichen, in denen wir tätig sind. Der Fachkräftemangel betrifft alle Energieunternehmen. Das schreit fast danach, Kooperationen einzugehen, sich gegenseitig bei Engpässen auszuhelfen sowie Synergien und Skaleneffekte zu nutzen.
Als neues Mitglied im Verwaltungsrat von Swisspower können Sie die Stadtwerke-Allianz strategisch mitgestalten. Was erwarten Sie von Swisspower?
Swisspower ist für unser Unternehmen eine grosse Unterstützung, zum Beispiel im Bereich Innovation. Das Team dahinter bemüht sich stark, der Branche einen Schritt voraus zu sein – und meines Erachtens gelingt das. Was ich erwarte: Die Projekte, die Swisspower anstösst, müssen auch für kleine und mittlere Stadtwerke zu bewältigen sein. Denn beim Budget und bei den personellen Ressourcen gibt es grosse Unterschiede. Als Verwaltungsrat bei Swisspower möchte ich deshalb Ideen einbringen, wie es auch kleineren Stadtwerken ermöglicht wird, sich an den Projekten zu beteiligen und bei der Innovation Schritt zu halten
An der Generalversammlung haben Sie viele Personen aus der Swisspower-Allianz kennengelernt. Welchen Eindruck haben Sie mitgenommen?
Auch wenn unsere Stadtwerke unterschiedlich gross sind: Uns alle beschäftigen die gleichen Themen. Wir können viel voneinander lernen. Zum Beispiel beim Fachkräftemangel: Manche Stadtwerke haben hier kleinere Probleme als andere, können ihre Stellen meistens gut besetzen. Da ist es interessant, zu erfahren, welche Werkzeuge sie nutzen und was sie tun, um als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. An Swisspower schätze ich, dass man offen, konstruktiv und transparent miteinander kommuniziert. Das habe ich in meiner Karriere oft anders erlebt. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit meinen neuen Kolleginnen und Kollegen.