Was bedeutet das Ja zum Mantelerlass für IWB?
Dr. Claus Schmidt: Wir sind froh, dass der Mantelerlass jetzt vom Parlament verabschiedet ist. Beim näheren Betrachten dieses umfassenden Pakets zeigt sich deutlich, wie viele Kompromisse nötig waren. Dennoch bedeutet das neue Gesetz einen grossen Schritt nach vorn. Unsere Branche weiss jetzt, in welche Richtung der Gesetzgeber zielt. Wir erhalten in vielen Punkten Klarheit und Rechtssicherheit. Eine lange Hängepartie geht mit den nun anstehenden Verordnungen ihrem Ende entgegen.
Mit dem Mantelerlass erhalten die Stadtwerke mehr Investitionssicherheit für die erneuerbare Stromproduktion. Was ändert sich dadurch für IWB? Ist es der Startschuss, um das Ausbautempo weiter zu erhöhen?
Wir sind schon vor und mit dem vom Parlament beschlossenen Solarexpress ins Rennen gegangen und haben einige grosse Projekte angepackt. Für uns ist der Mantelerlass vor allem ein klares Signal, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Denn wir setzen bereits zu 100 Prozent auf erneuerbaren Strom – mit eigenen Produktionsanlagen in der Schweiz und ergänzend im Ausland. Gemäss unserer Strategie streben wir ein Wachstum auf Basis erneuerbarer Energien an. Dabei fokussieren wir uns derzeit auf die Photovoltaik, weil hier das Potenzial noch enorm ist. Ein Startschuss ist der Mantelerlass hoffentlich für viele unserer Gewerbekunden mit grossen Dachflächen. Für sie wird es nun interessanter, in Solaranlagen zu investieren. Wir unterstützen sie aktiv bei der Realisierung dieser Anlagen.
IWB ist ein Energieunternehmen mit viel Eigenproduktion. Durch das neue Gesetz wird die bisherige Durchschnittspreismethode abgeschafft. Was bedeutet es für Ihr Unternehmen, dass Sie nun mindestens 50 Prozent Ihrer Eigenproduktion an die gebundene Kundschaft liefern müssen?
Unsere Eigenproduktion fliesst auch bisher schon in die Grundversorgung unserer Kundinnen und Kunden. Wir begrüssen es, dass die völlig unzureichende und nicht verursachergerechte Durchschnittspreismethode durch ein neues Modell abgelöst wird – auch wenn wir noch nicht ganz abschätzen können, was dieses im Einzelnen für uns bedeutet und wie es umzusetzen ist. Aber wir erwarten auf jeden Fall eine deutliche Verbesserung. Denn das neue Modell steht nun im Einklang mit der übergeordneten Stossrichtung des Bundes, die erneuerbare Stromproduktion im Inland voranzubringen. Und für die grundversorgte Kundschaft bringt es mehr Transparenz.
Eine weitere wichtige Neuerung des Mantelerlasses sind die lokalen Elektrizitätsgemeinschaften (LEG), die noch weiter gehen als die bisherigen Zusammenschlüsse zum Eigenverbrauch (ZEV). Sind sie für die Stadtwerke mehr Gefahr oder mehr Chance?
Sie sind beides. Als Chance sehen wir, dass unsere Kundinnen und Kunden einen grösseren Anreiz erhalten, in dezentrale erneuerbare Energien zu investieren. Und da die Umsetzung der LEG komplex sein dürfte, ergibt sich für uns die Gelegenheit, zusätzliche Dienstleistungen zu erbringen: Wir sind gut positioniert als Anbieter, der sich mit Messwesen, Abrechnung, intelligentem Steuern und dem optimalen Zusammenspiel von Solaranlagen, Ladestationen und Speichern bestens auskennt. In der Arealentwicklung haben wir schon viele ZEV umgesetzt und dabei grosse Erfahrung gesammelt. Die Gefahr bezüglich der LEG besteht darin, dass mit zunehmender Anzahl auch eine zunehmende Entsolidarisierung stattfindet. Die LEG führen nicht zu Einsparungen bei den Netzkosten, die Teilnehmenden werden aber von geringeren Netzentgelten profitieren. Die Differenz bezahlt die Allgemeinheit – das heisst jene Kundinnen und Kunden, die nicht Teil einer LEG sind. In der Verordnung sollte dann sichergestellt sein, dass die LEG die von ihr verursachten Kosten für die komplexen Mess- und Abrechnungsprozesse trägt und nicht die Allgemeinheit.
Künftig müssen die Schweizer Energieunternehmen auch auf dem Gebiet der Energieeffizienz tätig werden. Wie blicken Sie dieser vom Bund verordneten Aufgabe entgegen?
Mit gemischten Gefühlen. In erster Linie finden wir es positiv, dass auch der Effizienzgedanke in den Mantelerlass eingeflossen ist und es dazu klare Ziele gibt. Denn die Energieeffizienz muss eine grosse Rolle spielen, wenn wir die Klimaziele erreichen und die Stromversorgung ganzjährig sicherstellen wollen. Nun kommt es auf die Ausgestaltung dieser neuen Pflicht in den Verordnungen an. Was wir als Energieversorger nicht wollen, ist eine Polizistenrolle. Stattdessen möchten wir unsere Kundschaft beraten und unterstützen – ohne grossen Administrations- und Dokumentationsaufwand. Im Kanton Basel-Stadt kennen wir seit vielen Jahren zwei Instrumente, um die Energieeffizienz zu steigern: die Förderabgabe und die Lenkungsabgabe. Sie haben nachweislich einen bremsenden Effekt auf den Stromverbrauch. Zusätzlich verfügen wir über Erfahrung mit Modellen, die für Grossverbraucher schon vorgeschrieben sind. Da gibt es bewährte und wirkungsvolle Instrumente, mit denen sich auch ohne grosse Investitionen viel Energie einsparen lässt.
Aktuell laufen Vorbereitungen, ein Referendum zu ergreifen. Nehmen wir trotzdem an, das neue Bundesgesetz kann 2025 in Kraft treten: Wie bereitet sich IWB darauf vor?
Wir befassen uns schon seit Längerem mit dem Mantelerlass und haben analysiert, was sich für uns dadurch ändern wird. Die wesentlichen Neuerungen haben wir nach Chancen, Risiken und Ansatzpunkten bewertet und priorisiert – eine wichtige Grundlage für die spätere Umsetzung. Nun sind wir gespannt auf die Verordnungen und was sie in welchem Detaillierungsgrad regeln. In den Vernehmlassungen dazu werden wir uns gemeinsam mit Swisspower und weiteren Verbänden einbringen.
Welche Unterstützung erwarten Sie von Swisspower?
Erstens ist die Swisspower-Allianz hilfreich, um die verschiedenen Perspektiven der Energieversorger zusammenzuführen. Es macht Sinn, wenn viele Augen auf dieses komplizierte Regelwerk blicken. Zweitens unterstützt uns Swisspower dabei, die Verordnungen zu interpretieren, zu verstehen und die gebündelten Rückmeldungen der Stadtwerke zu nötigen Verbesserungen in den politischen Prozess einzuspeisen.