Lars Losinger, neuer Geschäftsleiter der SWG: «Wir wollen vom reinen Netzbetreiber zum Produzenten werden»

Zuerst führte er die SWG interimistisch. Diesen Sommer wurde Lars Losinger definitiv zum neuen Geschäftsleiter gewählt. Welche Stossrichtungen verfolgt das Grenchner Stadtwerk unter seiner Führung? Ein Gespräch über Krisenmanagement, Überregulierung und pragmatische Energiepolitik.

Als Ihr Vorgänger Per Just vor rund einem Jahr schwer verunfallte, übernahmen Sie von heute auf morgen interimistisch die Geschäftsführung der SWG. Und das in einer turbulenten Zeit – eine Energiemangellage drohte. Wie erlebten Sie diesen Start?

Lars Losinger: Es war ein heftiger Einstieg mit einigen Turbulenzen und vielen Feuerwehrübungen. Dies aus zwei Gründen: Erstens erforderte die drohende Energiemangellage, rasch alle möglichen Vorbereitungen für eine sichere Versorgung im Winter zu treffen. Zweitens durchlebte die SWG gerade eine echte Führungskrise. Denn zusätzlich zum Ausfall von Per Just verliessen zwei weitere Mitglieder der vierköpfigen Geschäftsleitung das Unternehmen. Es blieb nur gerade ein langjähriges GL-Mitglied, um ein Mindestmass an Kontinuität sicherzustellen.

Wie packten Sie diese schwierige Situation mit vielen offenen Baustellen an?

In einer solchen Situation helfen eine gewisse Seniorität und die Erfahrung von früheren ähnlichen Krisen her. Das Wichtigste ist, die Organisation zu stabilisieren und Vertrauen auszustrahlen, um die Verunsicherung auf allen Stufen zu beseitigen – bei den Mitarbeitenden, der Kundschaft, dem Verwaltungsrat und der Stadt als Eigentümerin. Trotz aller Turbulenzen braucht es eine möglichst ruhige Hand und eine klare Idee, wie man aus der Krise herauskommen will. Die Mitarbeitenden, meine Geschäftsleitung, der Verwaltungsrat und das politische Umfeld in Grenchen haben mich dabei sehr gestützt.

Lars Losinger übernahm am 1. November 2022 die interimistische Geschäftsführung der SWG und wurde im Juli 2023 vom Verwaltungsrat definitiv zum neuen Geschäftsleiter gewählt. Zuvor war er unter anderem als CEO des Gebäudetechnikunternehmens BKW Building Solutions sowie in den Geschäftsleitungen von Alpiq InTec und ETAVIS tätig. Lars Losinger ist Rechtsanwalt mit betriebswirtschaftlichen Zusatzausbildungen.


Diesen Sommer wurde bekannt, dass Per Just aus gesundheitlichen Gründen nicht in seine bisherige Aufgabe zurückkehren kann. Warum haben Sie sich entschieden, das Angebot des Verwaltungsrates anzunehmen und definitiv Geschäftsleiter der SWG zu werden?

Weil ich einen Beitrag leisten kann. In den Monaten der interimistischen Führung habe ich gemeinsam mit meinem Team unsere Etappenziele heraus aus der Krise erreicht und dabei gemerkt: Die Arbeit in einem Stadtwerk ist eine der sinnvollsten überhaupt. Hier habe ich wirklich einen Impact innerhalb einer Stadt. Zudem hat der Verwaltungsrat im Frühling eine angepasste Strategie formuliert, die wir jetzt am Umsetzen sind.

Eines der wichtigsten Standbeine der SWG war bisher die Gasversorgung. Welche Zukunft sehen Sie für dieses Geschäftsfeld?

Wir wollen es noch lange weiterführen und in dieser Zeit den Anteil des erneuerbaren Gases erhöhen. Das entspricht auch dem politischen Willen. Allerdings muss man realistisch bleiben: Es wird ein langer Transformationsprozess. Oberste Priorität haben das Kundenbedürfnis nach einer sicheren, bezahlbaren Versorgung und der Schutz unserer Investitionen in die Gasinfrastruktur.

Wo stehen Sie bei der Umsetzung der Dekarbonisierungsstrategie, die Ihr Unternehmen vor rund drei Jahren vorstellte?

Wir haben drei strategische Stossrichtungen, um die erneuerbaren Energien voranzubringen. Erstens unseren Windpark auf dem Grenchenberg. Er ist derzeit unser Hauptprojekt und kommt bald in die Realisierungsphase. Zweitens planen wir eine weitere Biogasanlage – diesmal eine Nassvergärungsanlage. Deren Umsetzung beginnt voraussichtlich 2026. Der dritte Schwerpunkt ist der Aufbau einer Fernwärmeversorgung. Hinter diesen drei Stossrichtungen steckt unsere Strategie, vom reinen Netzbetreiber zum Produzenten zu werden. Denn das gibt uns eine langfristige Daseinsberechtigung.


«Allerdings muss man realistisch bleiben: Es wird ein langer Transformationsprozess. Oberste Priorität haben das Kundenbedürfnis nach einer sicheren, bezahlbaren Versorgung und der Schutz unserer Investitionen in die Gasinfrastruktur.»


Wie gehen Sie beim Aufbau der Fernwärmeversorgung vor?

Dazu haben wir einen Masterplan erarbeitet, der die weiteren Schritte aufzeigt. Wir gehen pragmatisch vor und realisieren ein Projekt nach dem anderen. Ein flächendeckendes Fernwärmenetz planen wir nicht. So wird in Stadtgebieten mit dichtem Gasnetz kein zusätzliches Fernwärmenetz entstehen. Ein erstes Fernwärmeprojekt setzen wir im Westen von Grenchen um. Läuft alles wie geplant, versorgen wir in der Heizperiode 2025/26 erste Gebäude mit Fernwärme.

Sie haben den Windpark auf dem Grenchenberg erwähnt. Er gehört zu den weit fortgeschrittenen Projekten, die vom Windexpress profitieren sollen. Was bringt dieses vom Parlament verabschiedete Gesetz Ihrem Projekt?

Unser Windpark durchläuft derzeit das Verfahren für die Baubewilligung. Wir hoffen, dass die Stadt Grenchen uns diese im ersten Halbjahr 2024 erteilt. Dann hilft uns das neue Gesetz und kürzt das Verfahren ab, weil sich die Baubewilligung nur noch vor dem kantonalen Verwaltungsgericht anfechten lässt. Dieses Urteil wird rechtsverbindlich und abschliessend sein. Das Ende des Bewilligungsverfahrens ist also endlich absehbar. Allerdings hat unser Projekt eine findige Gegnerschaft, die alle Hebel in Bewegung setzt, um doch noch eine Verzögerung zu erreichen.


Was erwarten Sie als Swisspower-Stadtwerk von der Allianz? Welche Schwerpunkte soll Swisspower in den kommenden Jahren setzen?

Ich habe zwei Erwartungen. Erstens soll sich Swisspower auf Bundesebene dafür einsetzen, dass die Regulierung der Energieversorgung in einem vernünftigen Rahmen bleibt. Ein Beispiel ist etwa die Umsetzung der neuen Pflichten für eine höhere Energieeffizienz, die der Mantelerlass vorsieht. Solche Regulierungen dürfen nicht überborden. Die Forderungen, die Swisspower gegenüber der Politik vertritt, müssen ganz nahe bei uns Stadtwerken und unserer Kundschaft sein.

Und Ihre zweite Erwartung an Swisspower?

Sie betrifft die Zukunftsthemen – gewissermassen den Blick in die nächste Geländekammer. Swisspower sollte vor allem Themen aufgreifen und vorwärtstreiben, die nahe an unserem Kerngeschäft sind. Zum Beispiel ist neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien das Thema Bandenergie wichtig. Für mich steht fest: Im Sinne der Versorgungssicherheit und von erträglichen Preisen für die Kundschaft kommen wir um zusätzliche Grosskraftwerke nicht herum. Doch in der Bundespolitik ist das derzeit quasi ein Tabu. Ich erwarte von Swisspower, auch solche zurzeit noch unpopulären Themen aufs politische Parkett zu bringen. Denn für die Energieversorgung der Zukunft brauchen wir einen ganzen Strauss von Massnahmen. Wir sollten möglichst unideologisch, pragmatisch und lösungsorientiert darüber diskutieren. Die Energiestrategie 2050 braucht ein Update.