«Nachhaltigkeit ist kein Öko-Schnickschnack»

Als neue Leiterin Public Affairs und Kommunikation von Swisspower verfolgt Anne Wolf eine klare Mission: Gemeinsam mit ihrem Team will sie die Stadtwerke bei einer nachhaltigen Transformation unterstützen. Im Gespräch erklärt sie, warum das weit über ein ambitioniertes Klimaziel hinausgeht.

Seit September haben Sie die Welt der Stadtwerke mit ihren vielen Facetten kennengelernt. Bei welchen Themen haben Sie Lust gekriegt, gemeinsam mit Ihrem Team so richtig loszulegen?

Anne Wolf: Wir haben schon richtig losgelegt! Zurzeit arbeiten wir an sehr spannenden Themen rund um die Regulierung der Energiebranche und an Projekten, die den Energieunternehmen Mehrwert bieten. Dazu gehören auch Angebote, die sich aus neuen Gesetzgebungen ergeben, beispielsweise rund um Effizienzmassnahmen oder die im Mantelerlass vorgesehenen Lokalen Elektrizitätsgemeinschaften. Da geben wir bereits Vollgas – natürlich CO2-frei (lacht).

«Es braucht den Blick auf 2050 und darüber hinaus. Nachhaltigkeit bedeutet, dass wir heute Ressourcen so verwalten und nutzen, damit sie auch für künftige Generationen erhalten bleiben. Das ist übrigens nichts Neues und auch kein ideologischer Öko-Schnickschnack.»


Und welche neuen Themen packen Sie an?

Als neues Thema sehe ich für die kommenden Jahre neben dem Netto-Null-Ziel den Weg zu mehr Nachhaltigkeit – also eine nachhaltige Transformation. Das geht weit über ein ambitioniertes Klimaziel hinaus. Eine solche Transformation erfordert Zielsetzungen und Massnahmen in den verschiedenen Systemgrenzen. Da beziehe ich mich auf Scope 1 bis 3 des Greenhouse Gas Protocol. Dabei sind die Mitarbeitenden nicht nur eingebunden oder «betroffen», sondern matchentscheidend für den Erfolg. Beispiele sind etwa das Mobilitätsverhalten der Mitarbeitenden und fair produzierte Arbeitskleidung. Hier kommt mir meine Erfahrung durch die vorherige Funktion als Leiterin Corporate Responsibility der Schweizerischen Post zugute. Weitere Schwerpunkte, die wir als Team derzeit setzen, sind das Thema Employer Branding, um dem Fachkräftemangel zu begegnen, und die mediale Begleitung von Projektentwicklungen. Dazu gehört zum Beispiel die alpine Solaranlage im Parsenngebiet oberhalb von Davos. Und natürlich ist das Networking weiterhin eine tragende Säule unserer Tätigkeit. Wir stehen im regen Austausch mit zahlreichen Gruppierungen und Stakeholdern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, um im Sinne unserer Aktionäre zu agieren.




Sie haben es angesprochen: In Ihrer bisherigen beruflichen Laufbahn haben Sie sich stark mit Nachhaltigkeitsthemen befasst. Wie definieren Sie Nachhaltigkeit?

Ich habe eine ganzheitliche Sichtweise darauf und sehe den Menschen im Raum – also in seinem jeweiligen Umfeld. Nachhaltigkeit hat somit nicht nur eine ökologische Seite. Ich fasse mein Verständnis in zwei Begriffe: Nachhaltigkeit ist Ressourcenschutz und sozial-gesellschaftliche Verantwortung. Entscheidend ist aus Sicht eines Staates oder eines Unternehmens die langfristige Perspektive. Die lässt sich nicht abschliessend in Drei- oder Fünf-Jahres-Strategien giessen. Es braucht den Blick auf 2050 und darüber hinaus. Nachhaltigkeit bedeutet, dass wir heute Ressourcen so verwalten und nutzen, damit sie auch für künftige Generationen erhalten bleiben. Das ist übrigens nichts Neues und auch kein ideologischer Öko-Schnickschnack. Auf diese Weise bewirtschaftet seit jeher eine Winzerin ihren Weinberg, ein Waldbesitzer seinen Wald oder ein Familienunternehmen das Firmenportfolio. Und damit sind wir bei einer intergenerationalen Haltung angelangt. Dieser Ansatz leitet unsere Entscheidungen und Handlungen in der Gegenwart, um eine lebenswerte Zukunft zu gestalten.


Und wie ist das mit den höheren Kosten? Sie werden bei Entscheiden rund um Nachhaltigkeit häufig in die Waagschale geworfen.

Tatsächlich heisst es oft, Nachhaltigkeit koste nur. Doch bei der Wirtschaftlichkeit eines Projekts oder einer Massnahme müssen wir die gesamte Lebenszeit betrachten und nicht nur die Investitionskosten. Wir wissen ja alle: Gerade beim Ersatz von Geräten erhält man für den Mehrpreis einen höheren Standard, der Energie einspart und häufig länger im Einsatz ist. Das ist aus meiner Sicht ein gutes Beispiel für eine nachhaltige Entwicklung – oder sagen wir «nachhaltige Energiezukunft». Sicher: Das Netto-Null-Ziel der Schweiz erfordert hohe Investitionen. Aber es bietet auch Chancen im Innovationsbereich – für die einzelnen Unternehmen und die Volkswirtschaft als Ganzes. Die Suche nach nachhaltigen Lösungen eröffnet neue Geschäftsfelder und Märkte, unter anderem in der Kreislaufwirtschaft. Damit kann der Weg einer nachhaltigen Entwicklung sogar das Wachstum unterstützen. Oder um beim Beispiel der Winzerin zu bleiben: Nur mit nährstoffreichem Boden ist der Ertrag dauerhaft hoch.



Diese Woche wurde das neue Parlament vereidigt. Damit kommt viel Arbeit auf Sie zu, um besonders den neuen Parlamentarierinnen und Parlamentariern die Positionen von Swisspower zu vermitteln. Welche Hauptbotschaften wollen Sie platzieren?

Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier sollten über die Swisspower-Stadtwerke wissen, dass sie sich systematisch für das Netto-Null-Ziel engagieren und neben den erneuerbaren Energien auch stark auf die Energieeffizienz setzen. Dies überzeugend zu vermitteln, funktioniert hauptsächlich über den direkten Austausch. Die Gespräche drehen sich derzeit natürlich vor allem um das Referendum gegen den Mantelerlass und die Stopp-Blackout-Initiative – und wie sich verhindern lässt, dass dadurch nochmals viele Grundsatzfragen aufgeworfen werden. Eine unserer Hauptbotschaften ans neue Parlament lautet: Mit den zuletzt verabschiedeten Vorlagen wie Mantelerlass, Solar- und Windexpress sind wir auf dem richtigen Weg. Aber es muss schneller gehen, etwa bei Projektanträgen und -bewilligungen. Auch bei der Revision des CO2-Gesetzes ist Tempo angesagt. Denn jedes verpasste Jahr, das wir nicht für wirkungsvolle Massnahmen nutzen, zählt im Hinblick auf das Netto-Null-Ziel doppelt. Und das betrifft alle Energieträger – wie zum Beispiel auch Biogas.