«Wir brauchen Prototypen statt Konzepte»

Interview mit Orlando Gehrig, Leiter Swisspower Innovation, zum ersten «Energy Blockchain Hack» der Schweiz

Warum ist die Blockchain-Technologie beson­ders für die Energiebranche wichtig?

Orlando Gehrig: Die künftigen Megatrends der Energie­branche heissen Dezentralisierung und Digitalisierung. Die Blockchain-Technologie erleichtert den Weg dorthin. Mit ihr lassen sich selbst kleinste Mengen Energie sicher, verläss­lich und zu äusserst tiefen Transaktionskosten handeln. Die Blockchain-Anwendungen be­schleu­nigen also die Transformation hin zu einem nachhaltigen und effizienten Energie­system – auch wenn regulatorisch und techno­logisch noch wesentliche Fragen zu klären sind.

Für welche Anwendungen von Energieunter­nehmen ist die Blockchain-Technologie zuerst alltagstauglich?

Kurzfristig steht das Effizienzpotenzial im Vordergrund. Bestehende Prozesse wie die Abrechnung des Stromverbrauchs oder Teil­prozesse davon lassen sich effizienter und sicherer abwickeln. Zum Beispiel führen das Swisspower-Stadtwerk Energie Wasser Bern und PostFinance zurzeit ein Blockchain-Projekt durch, mit dem Abrechnungsprozesse automati­siert werden sollen, etwa für Zusammenschlüsse zum Eigen­verbrauch (ZEV). Via Blockchain können Smart-Metering-Daten unverän­derlich er­fas­­st werden. Auch beim Stromhandel bieten Block­chain-Anwendungen die Chance, beste­hen­de Prozesse effizienter zu gestalten. Möglich ist mit der Blockchain als Basistechno­logie also schon heute vieles. Die Heraus­forderung besteht darin, Anwendungen auszu­wählen, die wirklich auf Kundenbedürfnisse eingehen und wirtschaftlich sinnvoll sind.

Mit dem ersten «Energy Blockchain Hack» der Schweiz wollen Swisspower und die Energy Web Foundation solche praxisorien­tier­ten Blockchain-Lösungen vorantreiben. Wie funktio­niert der Anlass?

Vom 3. bis 5. Dezember sind in Bern während 48 Stunden Start-ups und Entwicklerteams am Werk. Beim Hackathon erwarten wir von ihnen nicht bloss Papierkonzepte, sondern funktionie­rende Proto­typen. Swisspower-Stadtwerke, die Energy Web Foundation und Iberdrola, ein spanischer Energieversorger, werden konkrete Fragestellungen aufwerfen. Eine Jury bewertet zum Schluss die entsprechenden Lösungs­prototypen. Die zielführendste Lösung wird ausgezeichnet. Für die beteiligten Swiss­power-Stadtwerke ermöglicht der Hackathon, schnell und günstig praktikable Lö­sun­gen zu erhalten.

Wie viele Start-ups nehmen teil?

Wir rechnen mit fünf Start-ups für jede der Aufgabenstellungen, also mit insgesamt 15 Teams. Diese Unternehmen sollten den Energie­bereich kennen, um die Aufgabe bewältigen zu können. Zudem beginnen sie nicht bei null: Alle haben bereits eine Blockchain-Lösung erarbei­tet, die sie auf die Fragestellung adaptieren. Die Motivation der Entwickler besteht darin, ihr Können zu präsentieren und sich für künftige Aufträge zu empfehlen.

Was soll der erste Hackathon bewirken?

Ich erhoffe mir konkrete Prototypen, die wir im besten Fall gemeinsam zu Pilotprojekten weiter­entwickeln. Durch die Zusammenarbeit der Stadt­werke können wir die Projekte skalieren und Ressour­cen bündeln. Ein weiteres wichtiges Ziel des Hackathons: Wir wollen das Bewusstsein für die Chancen der Blockchain-Technologie in den Stadtwerken noch stärker verankern.