Das Richtige am richtigen Ort: Wie Frauenfeld die Wärmewende erreichen will

In Frauenfeld wird die Wärme für Wohn- und Gewerbegebäude heute zu 90 Prozent mit fossilen Brennstoffen produziert. Durch eine Wärmewende soll der Anteil deutlich sinken. Wie Thurplus dies anpackt, erklären Geschäftsleiter Peter Wieland und Ulrich Trümpi, Leiter Planung und Projektierung.

Welche Ziele hat sich die Stadt Frauenfeld für die Wärmewende gesetzt?

Peter Wieland (PW): Wir wollen bis 2050 das Netto-Null-Ziel erreichen. Dazu muss die Wärmeversorgung bis 2040 fossilfrei sein. Unser Unternehmen zeigt die Lösungen dafür auf.

Wie sehen diese aus?

Ulrich Trümpi (UT): Im Rahmen des Wärme-Kälte-Konzepts haben wir das Stadtgebiet in sieben Perimeter aufgeteilt und für jeden davon die optimalen erneuerbaren Wärmelösungen definiert. Diese haben wir bewertet und priorisiert: Wo drängt sich eine rasche Umsetzung auf? Für welche Vorhaben braucht es uns und welches sind eher individuelle Lösungen?

PW: In zwei Gebieten ergibt sich die einmalige Chance, die Wärmewende schnell umzusetzen. Die eine Gelegenheit bietet sich mit dem Erweiterungsbau des Regierungsratsgebäudes: In der Mitte der dicht bebauten Frauenfelder Altstadt erhalten wir die Möglichkeit, eine Energiezentrale zu errichten. Von dort können wir die Altstadt mit Fernwärme versorgen. Als Wärmequelle dient Abwärme aus der ARA. Die zweite Gelegenheit ist der Ausbau unseres bestehenden Wärmeverbunds Frauenfeld West, der die Abwärme aus der Zuckerproduktion der Zuckerfabrik Frauenfeld nutzt. Neu wird dieser Wärmeverbund zusätzlich mit der Abwärme des Holzheizkraftwerks der Bioenergie Frauenfeld AG versorgt. Nun soll das bestehende Wärmenetz massiv erweitert werden.

Wie geht es bei diesen beiden Vorhaben weiter?

PW: Der nächste Meilenstein ist die Volksabstimmung vom 25. September über Objektkredite von insgesamt 40 Millionen Franken. Wenn die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger grünes Licht geben, sind wir in den nächsten Jahren intensiv mit diesen Projekten beschäftigt.

Welche Chancen für Ihr Unternehmen sehen Sie durch die angestrebte Wärmewende?

PW: Es geht weniger um die Chancen für uns als Unternehmen, sondern um jene für die Stadt Frauenfeld und ihre Bevölkerung. Mit dem Ausbau der Fernwärme kann Frauenfeld einen wesentlichen Beitrag für den Klimaschutz leisten. Dabei stellt sich die Frage, ob die Stadt diesen Ausbau selbst umsetzt oder an Dritte auslagert. Unser Selbstverständnis als städtisches Unternehmen und Infrastrukturdienstleister ist, die Verantwortung für das Vorhaben zu übernehmen.

«Früher haben wir ein Gasnetz aufgebaut, nun ein Fernwärmenetz. Das bedeutet unterschiedliche Leitungen, Technologien und Kompetenzen. Auch unseren Heizungsservice müssen wir neu ausrichten – von Gasheizungen zu Wärmeübergabestationen.»

Peter Wieland, Geschäftsleiter Thurplus

Wie verändert sich dadurch Thurplus?

PW: Früher haben wir ein Gasnetz aufgebaut, nun ein Fernwärmenetz. Das bedeutet unterschiedliche Leitungen, Technologien und Kompetenzen. Auch unseren Heizungsservice müssen wir neu ausrichten – von Gasheizungen zu Wärmeübergabestationen. Die Wärmewende erfordert also Transformationen im ganzen Unternehmen.

UT: Bei unseren sonstigen Infrastrukturen geht es darum, sie instand zu halten und partiell weiterzuentwickeln. Bei der Fernwärme hingegen sprechen wir von einem Roll-out: In kurzer Zeit müssen wir ein grosses Gebiet erschliessen. Dafür eignet sich die bestehende Aufbauorganisation zu wenig. Wir setzen stattdessen auf eine Projektorganisation, die auf die nötigen Kompetenzen und Prozesse für die Projekte abgestimmt ist und sich bei Bedarf durch zusätzliche Fachkräfte verstärkt.

Viele weitere Stadtwerke bauen ihre Wärmenetze ebenfalls aus und suchen Fachleute. Lassen sich diese überhaupt finden?

UT: Das ist ein kritischer Punkt für den Erfolg unseres Projekts. Doch nicht nur bei den Fachkräften beobachten wir wegen der grossen Nachfrage einen Mangel, sondern auch beim Material. Hier sind die Lieferanten sehr gefordert. Das zeigt: Damit die Wärmewende gelingt, braucht es mehr als Geld und den Willen der Städte.

Besteht ein Erfahrungsaustausch zwischen den Stadtwerken mit solchen Projekten?

UT: Ja. Er funktioniert einerseits über Swisspower, wobei auch die persönlichen, informellen Kontakte eine wichtige Rolle spielen. Weitere Plattformen für den Erfahrungsaustausch bieten andererseits Verbände wie Fernwärme Schweiz und der SVGW.

Zu welchen Themen ist der Erfahrungsaustausch besonders wichtig?

PW: Es geht etwa um technologische Fragen, die Zusammenarbeit mit Lieferanten und Rohrleitungsbauern, die Tarifkalkulation und die Kommunikation – also um ganz praktische Themen.

UT: Auch zum Umgang mit politischen Akteuren tauschen wir uns aus, weil er für die Wärmewende zentral und zugleich herausfordernd ist.

Wie laufen die politischen Diskussionen im Vorfeld Ihrer Abstimmung vom 25. September ab?

PW: Überraschenderweise unterstützt uns eine andere politische Seite als erwartet: Die Vorlage erhält von den bürgerlichen Parteien viel Zuspruch, während links der Mitte eher kritische Fragen aufkommen.

Welche?

PW: Als beste Lösungen für die Energie- und die Wärmewende gelten bei vielen Leuten Solarstrom und Wärmepumpen. Biomasse als Energieträger hingegen wird hinterfragt. Unsere Aufgabe in dieser Diskussion besteht darin, die Synergien aufzuzeigen, die sich durch das Zusammenspiel verschiedener Energieträger und Netze ergeben.

UT: Unser Wärme-Kälte-Konzept zeigt, wie diese Diversifizierung funktionieren sollte: Es braucht das Richtige am richtigen Ort.

Bildlegende zur Illustration:

Die beiden geplanten Versorgungsgebiete der Fernwärme West und Altstadt (rot) sind neben dem bestehenden Fernwärmering ARA (hellorange) weitere Puzzlestücke zur Versorgung der Stadt Frauenfeld mit ökologischer Wärme.