Der ESB zählt zu den wenigen zweisprachigen Stadtwerken in der Schweiz. Wie prägt das die Führung des Unternehmens?
Martin Kamber: Die zwei Sprachen sind bei uns gleichberechtigt – auch in der Mitarbeiterführung. Herausfordernd ist die Zweisprachigkeit vor allem bei der Suche nach neuen Mitarbeitenden, etwa bei Stellen im Kundendienst und im Verkauf.
Es heisst, die Kulturen in der Deutschschweiz und der Romandie würden sich spürbar voneinander unterscheiden. Was bedeutet das für Ihre Kultur an der Grenze der beiden Regionen?
Viele Leute in Biel fühlen sich weder als Deutschschweizer noch als Romands, sondern einfach als Bielerinnen und Bieler. Wir pflegen hier eine eigene, sehr offene Bieler Kultur.
Zur Person
Martin Kamber ist Direktor und Vorsitzender der Geschäftsleitung des Swisspower-Stadtwerks Energie Service Biel/Bienne (ESB). Er folgt auf Heinz Binggeli, der aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig in Pension gegangen ist. Zuvor war Martin Kamber Leiter Marketing & Vertrieb und stellvertretender Direktor des ESB. Er ist Elektroingenieur und verfügt über einen EMBA in integriertem Management. Vor seinem Engagement beim ESB war er in verschiedenen Funktionen beim Swisspower-Stadtwerk IWB tätig, unter anderem als Leiter Energiedienstleistungen und Leiter Verkauf.
Welche Themen wollen Sie als Direktor des ESB rasch anpacken?
Wir haben in den letzten Jahren schon vieles richtig gemacht und stehen als Unternehmen gut da. Es gibt also nichts, was wir sofort neu anpacken müssten. Ein Schwerpunkt der kommenden Jahre ist der Ausbau der Fernwärmeversorgung. Da haben wir in der Stadt Biel noch viel vor und planen grosse Investitionen. Ein zweites wichtiges Thema ist der Umgang mit dem sinkenden Gasabsatz. Bisher hat die Gasversorgung einen wesentlichen Beitrag zur Deckung unserer Kosten als Querverbundunternehmen geleistet. Weil dieser Deckungsbeitrag kontinuierlich abnimmt, müssen wir uns überlegen, wie wir ihn kompensieren können – etwa durch zusätzliche Einnahmen im Dienstleistungsbereich.
An welche Dienstleistungen denken Sie?
Da sind wir relativ offen. Entscheidend ist die Nähe zu unserem Kerngeschäft. In kleinerem Rahmen erbringen wir zum Beispiel schon Dienstleistungen in den Bereichen Elektromobilität, PV-Contracting und Energieeffizienz. Zudem übernehmen wir Aufgaben für andere Energieversorger, etwa in der Energieverrechnung und im Betrieb von Anlagen und Netzen.
Ein aktuelles Grossprojekt des ESB ist das neue Seewasserwerk. Seit dem vergangenen Herbst erfolgt Ihre Trinkwasserversorgung aus diesem neuen Werk. Welchen Stellenwert hat die Wasserversorgung in Ihrer Unternehmensstrategie?
Sie gehört zu unserer Mission und hat für uns den gleich hohen Stellenwert wie die Energieversorgung – zumal Trinkwasser ein Lebensmittel ist. Taucht hier ein Problem auf, ist die Bevölkerung direkt betroffen. Auf unser Image bei den Kund:innen in der Stadt Biel hat die Wasserversorgung also einen grossen Einfluss: Wenn wir gute Arbeit leisten, bauen wir Vertrauen auf, wenn wir Fehler machen, können wir viel Vertrauen zerstören.
Anfang Jahr ist ein erstes Paket von Verordnungen zum neuen Stromgesetz in Kraft getreten, 2026 folgt ein zweites. Für die Stadtwerke bedeutet die Umsetzung eine echte Herausforderung. Wie gehen Sie sie an – etwa bezüglich Organisation und Ressourcen?
Im vergangenen Jahr haben wir ein Projektteam dafür gegründet. Seither werden die wichtigsten Themen in Teilprojekten aufgearbeitet. Für unsere Fachbereiche bedeutet das natürlich eine Mehrbelastung. Aber zumindest wissen wir nun mit den Verordnungen, was sich konkret ändert.
Zu den neuen Vorgaben des Stromgesetzes gehören die Effizienzsteigerungen für Stromlieferanten. Der ESB engagiert sich seit mehreren Jahren stark für die Energieeffizienz. Wie kommt Ihnen das bei der Umsetzung der neuen Stromeffizienzverpflichtung zugute?
Wir haben das Programm «Eco21» von SIG übernommen und damit wichtige Erfahrungen zur Energieeffizienz gesammelt: Heute wissen wir, wie wir die Kund:innen ansprechen müssen – was bei ihnen funktioniert und was nicht. Ich bin überzeugt, dass uns diese Erfahrungen beim Umsetzen der Stromeffizienzverpflichtung helfen werden. Allerdings ist «Eco21» anders ausgerichtet als die neue Verpflichtung des Bundes: Bei unserem Programm spielen Verhaltensänderungen eine zentrale Rolle. Wir gehen zum Beispiel zu Kund:innen nach Hause und erklären ihnen, wie sie die Energieeffizienz steigern können. Dieses Engagement ist bei den neuen Vorgaben nicht anrechenbar.
Bald endet die Vernehmlassung zum indirekten Gegenvorschlag des Bundesrats zur Blackout-Initiative. Damit sollen wieder neue Kernkraftwerke bewilligt werden können. Wie beurteilen Sie diesen Gegenvorschlag?
Ich befürworte ihn nicht. Denn er ist meiner Meinung nach nur eine Ablenkung von der eigentlichen Aufgabe, die unsere Branche erledigen muss: die Energieversorgung bis 2050 mit erneuerbaren Energien zu decken. Die Diskussion über neue Kernkraftwerke führt uns auf ein falsches Gleis und löst unser Problem kurz- bis mittelfristig nicht.
Swisspower feiert 2025 das 25-jährige Bestehen und der ESB gehört zu den Gründungspartnern. Was erwarten Sie für die kommenden Jahre von der Allianz?
Ich erwarte einerseits, dass Swisspower unsere spezielle Situation als Stadtwerke und Querverbundunternehmen auf der politischen Bühne gut vertritt und unsere Interessen wahrnimmt – national und künftig wo nötig vermehrt auch kantonal. Andererseits sehe ich Swisspower als Plattform, um sich zu den aktuellen Herausforderungen auszutauschen, zusammen Ideen zu entwickeln und miteinander Projekte zu realisieren, bei denen wir gemeinsam mehr erreichen.