«Dänemark ist der Schweiz beim Biogas Jahre voraus»

Es ist die erste grosse Erfolgsmeldung des noch jungen Unternehmens: Die Swisspower Green Gas AG hat sich 60 GWh dänisches Biogas pro Jahr gesichert. Wie sich dieser Biogas-Import von anderen Beschaffungen unterscheidet und was Dänemark zu einem interessanten Partner macht: Fragen an Verwaltungsratspräsident Martin Schaub.

Welche Ziele verfolgt die Swisspower Green Gas AG?

Martin Schaub: Als Beschaffungsgesellschaft für erneuerbares Gas haben wir von unseren Aktionären den Auftrag erhalten, für sie und weitere Kunden bis 2030 eine Terawattstunde erneuerbares Gas im In- und Ausland zu beschaffen. So wollen wir einen wesentlichen Beitrag zur Dekarbonisierung, zum Netto-Null-Ziel der Schweiz und zum Masterplan 2050 der Swisspower-Stadtwerke leisten. Zudem engagieren wir uns dafür, dass ausländisches Biogas als erneuerbar anerkannt und von der CO2-Abgabe befreit wird. Leider ist das zurzeit noch immer Wunschdenken.

Nach welchem Grundsatz gehen Sie bei der Beschaffung von Biogas vor?

Wir beschaffen es möglichst produktionsnah. Dabei nehmen wir den Produzenten immer die gesamte Produktionsmenge einer Anlage ab. Das unterscheidet uns von anderen Schweizer Anbietern, die das Biogas in Tranchen einkaufen und dann Käufer dafür suchen. Wir machen es andersherum: Mit unseren Aktionären klären wir zunächst den Bedarf. Dann erfolgt die Beschaffung, bis wir die benötigte Menge beisammen haben. Sollten die Aktionäre doch nicht das ganze Biogas abnehmen, beliefern wir Drittkunden.

Kürzlich haben Sie einen Vertrag für die Beschaffung von Biogas aus Dänemark unterzeichnet. Wie einfach ist es derzeit, Biogas zu beschaffen?

Einfacher als auch schon. Der Markt für Biogas spielt zurzeit gut, weil sich viele Investoren für neue Biogas-Anlagen finden lassen. Wir beziehen ausschliesslich Biogas von solchen komplett privat finanzierten Anlagen ohne staatliche Förderung. Denn nur bei diesen lässt sich der ökologische Mehrwert des Biogases voll anrechnen.

Warum haben Sie sich für Biogas aus Dänemark entschieden?

Dänemark legt beim Zubau von Biogas-Anlagen ein enormes Tempo vor. Der Zeitpunkt, sich dieses Biogas zu sichern, ist günstig – selbst, wenn viele Anlagen noch nicht gebaut sind. Schon in zwei bis drei Jahren dürfte der Ansturm auf das Biogas so gross sein, dass die benötigten Mengen entweder nicht mehr vorhanden oder viel zu teuer sind.


Martin Schaub, Verwaltungsratspräsident Swisspower Green Gas AG
Martin Schaub, Verwaltungsratspräsident Swisspower Green Gas AG
«Jeder Kuhfladen und jeder liegen gebliebene Strohhalm wird eingesammelt und zu Biogas verwertet. Dazu vernetzen sich die Bauern in Kooperativen. Gemeinsam tätigen sie die Investitionen in die Anlagen (...). So entstehen Anlagen, die schnell einmal 100 oder 200 GWh Biogas pro Jahr produzieren.»

Was macht Dänemark bei der Biogas-Produktion besser als andere Länder?

Im Gegensatz zur Schweiz und zu anderen Ländern wird in Dänemark keine Feldrandkompostierung betrieben. Bildlich gesprochen: Jeder Kuhfladen und jeder liegen gebliebene Strohhalm wird eingesammelt und zu Biogas verwertet. Dazu vernetzen sich die Bauern in Kooperativen. Gemeinsam tätigen sie die Investitionen in die Anlagen, ergänzt durch Fremdkapital von Banken. So entstehen Anlagen, die schnell einmal 100 oder 200 GWh Biogas pro Jahr produzieren. Zum Vergleich: Bei der arabern sind es rund 50 GWh. Die Produktion in dieser industriellen Grössenordnung sorgt für starke Skaleneffekte, etwa bei der Logistik. So ist ein Geschäftsmodell entstanden, das sich rechnet, zumal die Nachfrage nach Biogas vorhanden ist und weiter wächst. Zudem nehmen die Landwirte das vergorene Substrat wieder ab und bringen es auf den Feldern aus. Kurz gesagt: Dänemark ist uns beim Biogas Jahre voraus.

Sind die Kooperativen der Bauern auch Ihre Verhandlungspartner für die Biogas-Beschaffung?

Jein, denn die Landwirte und weitere Investoren gründen dazu eine Gesellschaft. Mit dieser führt die Swisspower Green Gas AG als Biogas-Abnehmerin die Verhandlungen. Wir versuchen, möglichst direkt mit dem Produzenten zu verhandeln und die Verträge abzuschliessen. Das ist fast so, wie im Hofladen einzukaufen.

Swisspower Green Gas will das Biogas aus Dänemark massenbilanziell importieren. Wie läuft dieser Prozess ab?

Wie schon erwähnt, wird ausländisches Biogas in der Schweiz noch nicht anerkannt. Bisher heisst das bei einer Beschaffung: Physikalisch wird das Gas am virtuellen Handelspunkt – dem Trading Hub Europe (THE) – veräussert, weil wir es nicht in die Schweiz importieren können. Die Herkunftsnachweise (HKN) fürs Biogas hingegen werden in der Schweiz verkauft. Bei unserer Beschaffung in Dänemark hingegen machen wir gemeinsam mit allen Beteiligten einen Pilotversuch, um das Biogas auch physikalisch in die Schweiz zu bringen. Dazu liegt die Lösung zum Beispiel bei zwei Bilanzgruppen für Erdgas und Biogas, sodass sich genau nachweisen lässt, wie viel Biogas importiert und ins Schweizer Netz eingespeist wird. Unser Ziel lautet, dass der Bund die in Dänemark beschaffte Menge als Biogas anerkennt.

Wenn das gelingt, setzen Sie einen Standard für die ganze Branche …

Ehrlich gesagt: Wir wissen nicht, ob es uns gelingt und wie lange es dauert – zumal auch noch eine gesetzliche Grundlage für diesen Prozess erforderlich ist. Doch immerhin haben alle involvierten Stellen erkannt, dass es notwendig ist, diesen Weg gemeinsam zu beschreiten. Denn HKN geben uns kein warmes Wohnzimmer, physisches Gas hingegen schon. Sollte die Anrechenbarkeit tatsächlich kommen, bringt uns unsere Strategie der produktionsnahen Beschaffung den grossen Vorteil, dass wir das physikalische Biogas nahtlos in die Schweiz importieren können.

Das dänische Biogas wird auf fünf Gasversorger aufgeteilt. Da sind 60 GWh pro Jahr nicht viel. Lohnt sich der Aufwand für den Import überhaupt?

Ja. Wenn wir bis 2030 unser Ziel von einer Terrawattstunde erneuerbarem Gas erreichen wollen, müssen wir rechtzeitig mit ersten Importen beginnen. Und ich kann verraten: Wir haben in näherer Zukunft ein Vielfaches in der Pipeline.

Sie haben es erwähnt: Um den Biogas-Import attraktiver zu machen, müssen die gesetzlichen Rahmenbedingungen in der Schweiz ändern. Wie gehen Sie dies an?

Dass unser Unternehmen eine Schwestergesellschaft der Swisspower AG ist, bringt uns einen grossen Vorteil. Swisspower knüpft für uns wertvolle Kontakte, spricht bei Politikerinnen und Politikern, in Bundesämtern und bei Verbänden vor. Ohne diese Unterstützung wären wir nicht da, wo wir heute stehen. Allerdings haben noch nicht alle Akteure in der Gasbranche begriffen, wie wir beim Biogas vorgehen sollten. Oder anders gesagt: Als Branche stehen wir uns leider oft selbst im Weg.

Wie beeinflusst die aktuelle Sorge vor einer Gasmangellage diese Diskussionen?

Die Unsicherheit, ob in den kommenden Wintern genügend Gas verfügbar ist, bestärkt unsere Aktionäre in ihrem Engagement. Und auch die betroffenen Bundesämter haben mehr denn je erkannt, dass jede mögliche Form von Gas für die Versorgungssicherheit zählt. In den letzten Monaten ist also Bewegung ins Ganze gekommen. Allerdings kämpfen wir noch immer damit, dass Gas oft generell verteufelt wird – unabhängig von der Produktionsart. Gerade in den grossen Städten fehlt die politische Einsicht, dass erneuerbares Gas ein ideales Speichermedium ist, das im Kampf gegen die Winterstromlücke einen namhaften Beitrag leisten kann. Diese Botschaft zu verankern, ist eine gemeinsame Aufgabe aller Gasversorger.

Wir haben bisher nur vom Ausland gesprochen. Wie gross ist das Potenzial für die Biogas-Produktion in der Schweiz?

Zurzeit wird das Potenzial zu wenig ausgeschöpft, weil Kooperationen fehlen. Jedes Stadtwerk realisiert seine eigene Biogas-Anlage. Ich habe einen Traum für die Zukunft: Wenn wir das dänische Modell anwenden und Biogas-Anlagen in industrieller Grösse aufstellen – zum Beispiel im Berner Seeland mit seiner intensiven Landwirtschaft –, nutzen wir das Potenzial viel effizienter. Doch das funktioniert nur, wenn wir das Risiko breit streuen, indem sich mehrere Partner beteiligen. Und auch die gesetzlichen Grundlagen müssen stimmen.