Energie Wasser Bern löst sich vom Atomstrom aus Fessenheim

Die BKW übernimmt mehr Strom aus dem Kernkraftwerk im Elsass. Energie Wasser Bern kann so ein altes Versprechen erfüllen.

Artikel aus «Der Bund» vom 7. Januar 2015


Der Strombezug aus dem umstrittenen französischen Atomkraftwerk Fessenheim ist seit kurzem nicht mehr auf der Internetseite des Stadtberner Versorgers Energie Wasser Bern (ewb) aufgelistet. «Wir haben den Vertrag für den Strombezug aus Fessenheim auf Ende 2014 aufgelöst», bestätigt ewb-Chef Daniel Schafer dem «Bund» auf Anfrage. Damit löst ewb ein altes Versprechen ein. Vor der Volksabstimmung über den Atomausstieg der Stadt Bern im Herbst 2010 hatte ewb in Aussicht gestellt, auf den Strom aus dem AKW Fessenheim zu verzichten, sobald die neue Energiezentrale und KVA im Forsthaus am Stadtrand von Bern in Betrieb gehe. Die neue Energiezentrale nahm Anfang 2013 den Betrieb auf. Dennoch verzögerte sich der versprochene Ausstieg von ewb aus Fessenheim um fast zwei Jahre.

Die Ursache waren Verhandlungen zwischen ewb und BKW, die sich in die Länge zogen. Denn ewb war nie direkt an Fessenheim beteiligt, sondern bezog den Strom aus Fessenheim über einen Vertrag mit der mehrheitlich kantonalen BKW. Diese ist gemeinsam mit den Konzernen Axpo und Alpiq zu gesamthaft 15 Prozent an den zwei Reaktorblöcken in Fessenheim beteiligt. Dass ewb vertraglich an die BKW gebunden war, verschaffte Letzterer eine starke Position und verzögerte die Verhandlungen.

Wasserkraft statt Atomstrom

Erst gegen Ende 2014 wurden ewb und BKW handelseinig. Laut Schafer sieht die Vereinbarung so aus: Die BKW übernimmt seit 1. Januar den Strom aus Fessenheim, den sie bisher an ewb lieferte. ewb bezieht im Gegenzug im gleichen Umfang Strom aus schweizerischer Wasserkraft von der BKW. Da der Preis von einheimischer Wasserkraft leicht über jenem von französischem Atomstrom liegt, bezahlt ewb laut Schafer «einen geringen marktüblichen Aufschlag». Der Preis werde laufend an die Marktlage angepasst. Welcher Preis genau vereinbart wurde, geben weder ewb noch die BKW bekannt. Man habe dazu Stillschweigen vereinbart, sagt Schafer.

Der ewb-Chef zeigt sich erleichtert über die Einigung. «Wir konnten die Vereinbarung im partnerschaftlichen Geist abändern und so unser Versprechen einlösen», sagt Schafer. «Ich bin froh, dass wir uns nun auf den Umbau der Stromversorgung hin zu erneuerbaren Energien konzentrieren können.»

Der Fraktionschef der GFL/EVP-Fraktion im Stadtrat und Energiespezialist Daniel Klauser begrüsst die Einigung. «Es ist erfreulich, dass die ewb-Kunden nun nicht mehr Dreckstrom aus Fessenheim beziehen», sagt er. «Es ist ein wichtiger Schritt, um ewb als Produzentin erneuerbarer Energie zu positionieren.» Weiterhin und in grösserem Umfang bleibt ewb am AKW Gösgen beteiligt. Seit Fukushima rechnet ewb intern mit einer Abschaltung von Gösgen bis 2029. Die Hauptaktionäre von Gösgen, die Konzerne Axpo und Alpiq, rechnen allerdings mit einer längeren Laufzeit.

AKW-Anteil der BKW nimmt zu

Auch die BKW lobt die neue Vereinbarung mit ewb. Die BKW unterstütze so «ewb im Sinne einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit», schreibt BKW-Sprecherin Murielle Clerc auf Anfrage. Zugleich stärke sie die eigene «Kompetenz im Stromhandel sowie in der Stromveredelung weiter». Konkret erhöht die BKW den eigenen Atomstrom­anteil. Bisher hatte sie rund ein Viertel ihres Bezugs aus Fessenheim an ewb geliefert. Die BKW ist mit total 5 Prozent an Fessenheim beteiligt; die Strommenge entspricht rund einem Sechstel der Produktion des AKW Mühleberg.

Im Grossen ändert sich bezüglich Atomausstieg nichts. Die Stadtberner sind nun zwar nicht mehr via ewb am AKW Fessenheim beteiligt, wohl aber als Kantonsbürger via die BKW. Keinen Einfluss hat der Ausstieg von ewb auf die Laufzeit von Fessenheim.

Abschalttermin bleibt ungewiss

Bis Ende 2016 werde das AKW Fessenheim abgeschaltet, hatte der französische Staatspräsident François Hollande als Kandidat im Wahlkampf versprochen – was insbesondere in Basel und Deutschland mit Erleichterung aufgenommen wurde. Aus Paris kommen jüngst aber widersprüchliche Signale. So bekräftigte Hollande am Montag in einem Interview mit dem Radiosender France Inter zwar, dass er Fessenheim schliessen wolle. Den zugesicherten Termin Ende 2016 bestätigte der Präsident auf Nachfrage jedoch nicht.

Die BKW will sich auf Anfrage «nicht zur französischen Politik äussern». Unbeantwortet bleibt die Frage, ob eine baldige Abschaltung von Fessenheim für sie wirtschaftlich nachteilig wäre. So eindeutig ist dies nicht. 2012 nahm die BKW Abschreibungen auf diversen Kraftwerken und Beteiligungen vor, weil die Produktionskosten über den Marktpreisen lagen – darunter auch auf ihrer Beteiligung am AKW Fessenheim.