Die Stadt Frauenfeld verfolgt das ehrgeizige Ziel, bis 2050 klimaneutral zu werden. Ein wichtiger Meilenstein auf diesem Weg ist der vollständige Ausstieg aus fossilen Brennstoffen für Heizungen bis zum Jahr 2040. Heute werden noch rund 80% der Gebäude in Frauenfeld mit Öl- oder Gasheizungen beheizt. Diese Abhängigkeit stellt die Stadt und ihren Versorgungsbetrieb Thurplus hinsichtlich Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit beim Übergang zu erneuerbaren Energien vor grosse Herausforderungen.
Um diese Herausforderungen gezielt anzugehen, initiierte Thurplus im Frühjahr 2023 das Projekt «Energieperspektiven Frauenfeld 2050», das vom Urban Energy Systems Lab der Empa unter der Leitung von Matthias Sulzer und Georgios Mavromatidis geführt und durch die Expertise des Empa-Spin-offs Urban Sympheny AG im Bereich der Energiesystem-Modellierung unterstützt wird. Durch die Kombination der Thurplus-Daten aus rund 20'000 Smart Metern, aus Strom- und Gaszählern und statistischen Gebäudedaten mit modernen Energieoptimierungsmodellen identifizierte das Projekt realistische und kosteneffiziente Lösungswege hin zu einer klimaneutralen Zukunft.
In enger Zusammenarbeit mit Thurplus wurden Szenarien aus der Studie «Energiezukunft 2050» des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) speziell für Frauenfeld angepasst. Diese Szenarien zeigen, welche Technologien, Energiebedarfe und Infrastrukturen notwendig sind, um Netto-Null Emissionen zu erreichen.
Zentrales Ergebnis: Durch eine koordinierte Energieplanung ist Netto-Null machbar
Die Dekarbonisierung ist mit heutigen Technologien möglich: Klimaneutralität ist mit bereits verfügbaren Technologien wie Fernwärme, Wärmepumpen, Photovoltaik (PV) und Batteriespeichern erreichbar. Voraussetzung ist jedoch eine rasche Einführung dieser Technologien sowie die Beibehaltung der aktuellen Sanierungsrate zur energetischen Gebäudesanierung.
Der Austausch fossiler Heizsysteme ist wesentlich: Im Jahr 2023 nutzten in Frauenfeld noch über 4000 Liegenschaftseigentümer:innen Öl- und Gasheizungen. Um diese fossilen Systeme bis 2040 vollständig zu ersetzen, müssten jährlich rund 250 Gebäude auf erneuerbare Heizlösungen umsteigen.
Eine zentrale Wärmeversorgung ist kostengünstiger: In dicht bebauten städtischen Gebieten ist Fernwärme günstiger als dezentrale Heizlösungen. Während Fernwärme heute nur rund 4% des Wärmebedarfs in Frauenfeld deckt, könnte dieser Anteil bis 2050 auf über 50% steigen. In den für Fernwärme geeigneten Gebieten sollten idealerweise die Potenziale für eine hohe Energiedichte genutzt werden.
Solarstrom hat ein grosses Potenzial: Aktuell decken Photovoltaikanlagen rund 18% (21 GWh/Jahr) des Strombedarfs von Frauenfeld. Durch einen Ausbau der PV-Leistung auf etwa das Fünffache der heutigen Kapazität könnte dieser Anteil bis 2040 auf bis zu 45% (97 GWh/Jahr) steigen.
Wirtschaftlichkeit kann durch koordinierte Planung ermöglicht werden: Eine koordinierte Planung und Umsetzung, die die lokalen Voraussetzungen der Quartiere in Frauenfeld berücksichtigt, reduziert die Gesamtkosten des Energiesystems und zeigt, dass eine erneuerbare Energieversorgung wirtschaftlich tragfähig ist. Dennoch sind erhebliche Investitionen notwendig, und es ist entscheidend, dass die erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung stehen.
Klimafreundliche Technologien koordiniert ausbauen
Das Projektteam «Energieperspektiven Frauenfeld 2050» empfiehlt, klimafreundliche Technologien wie Fernwärme, Wärmepumpen, Photovoltaikanlagen, Elektrofahrzeuge und Batteriespeicher koordiniert auszubauen und gleichzeitig die energetische Gebäudesanierung konsequent fortzuführen. Zudem braucht es eine sorgfältige und auf den Netto-Null-Pfad abgestimmte Planung der Strom- und Wärmenetze sowie flexible Lösungen wie Energiespeicher und intelligente Energienutzung bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern.
Die Projektergebnisse zeigen, wie datenbasierte Modelle und sektorübergreifende Zusammenarbeit Städten helfen, robuste, wirtschaftliche und tragfähige Strategien für die Energiewende zu entwickeln. Sie liefern eine solide Entscheidungsgrundlage für Politik, Versorgungsunternehmen sowie Bürger:innen und dienen als Vorbild für weitere Schweizer Gemeinden auf dem Weg zur Klimaneutralität.
Die Ergebnisse dieser Energieperspektiven bilden nun die Grundlage für die generelle Energieplanung sowie konkret für die Energierichtplanrevision, den weiteren Ausbau der Fernwärme und die elektrische Netzplanung für die Stadt Frauenfeld. Das Projekt wurde unterstützt durch das Bundesamt für Energie (BFE), das Amt für Energie des Kantons Thurgau und das Amt für Hochbau und Stadtplanung der Stadt Frauenfeld.