«Es braucht jetzt einen WKK-Express»

WKK-Anlagen in thermischen Netzen sind echte Alleskönner: Neben Wärme produzieren sie auch Strom, vor allem im Winter. Dies wirkt sich positiv auf die Stromreserve in Mangellagen aus – all dies mit höchster Energieeffizienz. Gute Gründe also, ihren Aufbau zu beschleunigen. Wo steht die politische Debatte dazu? Ein Überblick über die aktuelle Entwicklung.

Wenn es um Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen (WKK-Anlagen) geht, ist zuerst eine Begriffsklärung wichtig: WKK-Anlagen sind weder Notstromaggregate noch Reservekraftwerke – sie produzieren primär Wärme und gleichzeitig Strom. Das macht sie zu einer starken Säule der künftigen Energieversorgung, weil sie Wärmenetze sinnvoll ergänzen und zusätzlich Winterstrom liefern. Allein die in thermische Netze integrierten WKK-Anlagen haben ein Potenzial von bis zu 2 TWh zusätzlichem Strom pro Winter.

Mit der Power-to-Gas-Technologie kombiniert, ermöglichen WKK-Anlagen zudem einen saisonalen Ausgleich: Erneuerbarer Überschussstrom wird im Sommer in speicherbare Energie umgewandelt, die dann im Winter wieder in Strom zurückgewandelt wird.

Einzigartiger Gesamtwirkungsgrad

«Wenn sowohl Wärme als auch Strom gefragt ist, sind neue WKK-Anlagen mit einem Gesamtwirkungsgrad von mehr als 90 Prozent die effizienteste technische Lösung», sagt Thomas Peyer, Leiter Consulting von Swisspower. «Die meisten Städte sind derzeit daran, ihre Wärmenetze massiv auszubauen. Anstelle von konventionellen Heizkesseln kann die CO2-neutrale Abwärme aus WKK-Anlagen genutzt werden. Diese müssen gemäss Stromversorgungsgesetz zunehmend mit erneuerbarem oder CO2-kompensiertem Brennstoff betrieben werden.»

Und auch bei der Stromproduktion punktet die WKK-Technologie mit ihrer hohen Wirkungseffizienz. «Verglichen mit Importstrom als Alternative lässt sich mit WKK-Anlagen viel Brennstoff auf der Primärseite einsparen», so Thomas Peyer. «Das wird allerdings oft übersehen, weil die fossilen ausländischen Kraftwerke nicht in der Schweiz bilanziert werden.»

«Brennstoff und CO2 einsparen und dann noch dringend benötigten Winterstrom liefern: Das schafft keine andere Technologie.»

Thomas Peyer, Leiter Consulting von Swisspower


Bundespolitik lange zurückhaltend

WKK-Anlagen im wärmegeführten Betrieb sind aufgrund der gewollten kurzen Einsatzzeiten und der hohen Kapitalkosten nicht wettbewerbsfähig. «Es braucht jetzt eine staatliche Anschubfinanzierung, um einen kostendeckenden Betrieb zu ermöglichen», betont Thomas Peyer. «Sonst werden die Anlagen nicht gebaut.»

Lange Zeit stiess der Ruf nach einer Förderung bei der Bundespolitik auf wenig Gehör. Kurt Lanz, Geschäftsführer des Schweizerischen Fachverbands POWERLOOP, nennt die Gründe: «Ein grosser Teil der WKK-Anlagen werden mit einem gasförmigen Energieträger betrieben. Das assoziieren viele Politiker:innen mit ‹dreckigem› Erdgas. Sie ignorieren die Chancen von Biogas oder einem zukünftigen Einsatz von Wasserstoff. Hinzu kommt: Bei WKK-Anlagen handelt es sich nicht um eine ‹Einfamilienhaus-Technologie›, sondern um einen Systemansatz, der erst in einem grösseren Verbund und gemeinsam mit anderen Technologien seinen vollen Wert entfacht. Solche komplexen Lösungen haben es im politischen Umfeld schwieriger.»

«Weil es kein ‹Einfamilienhaus-Thema› ist, sind WKK-Anlagen in Bundesbern bisher zwischen Stuhl und Bank gefallen.»

Kurt Lanz, Geschäftsführer POWERLOOP



Doppelte Lösung für den Winter

Dass die politische Debatte zur WKK-Technologie nun endlich an Fahrt gewinnt, liegt vor allem an der drohenden Winterstromlücke. WKK-Anlagen liefern dafür gleich zwei Lösungen: Erstens produzieren sie in kalten Tagen Winterstrom für den Markt und reduzieren so die Abhängigkeit von Stromimporten. Mit wärmegeführten WKK-Anlagen braucht die Schweiz weniger Kapazität an Reservekraftwerken. Zweitens können sie in der kritischen Zeit, also z.B. bei tiefen Füllständen der Speicherseen, von März bis Mai für die Stromreserve des Bundes rasch abrufbare Erzeugungsleistung bereitstellen. Insgesamt wirkt sich der Betrieb von WKK-Anlagen positiv auf die Versorgungssicherheit aus.

Allerdings: Ein solcher kombinierter Einsatz ist bisher gesetzlich ausgeschlossen. Eine WKK-Anlage, die Strom für den Markt produziert und einen Investitionsbeitrag erhält, darf nicht an der Stromreserve teilnehmen. «Das ist ein Fehler, der korrigiert werden muss», fordert Thomas Peyer von Swisspower. «Es braucht ein WKK-Modell, das primär der Winterstromproduktion dient und dadurch eine Mangellage präventiv verhindert.»

Endlich verbesserte Rahmenbedingungen

Insgesamt stehen die politischen Weichen für die WKK-Technologie heute aber deutlich besser als in der Vergangenheit. Das Klima- und Innovationsgesetz sowie die verschiedenen Revisionen in der Energiegesetzgebung – etwa bei Stromversorgungsgesetz, Energiegesetz und CO2-Gesetz – haben Neuerungen mit sich gebracht, die auch die Rahmenbedingungen für WKK-Anlagen verbessern.

«Die Richtung der Revisionen stimmt», sagt Kurt Lanz von POWERLOOP. «Erstens haben WKK-Anlagen Aufwind, weil sie im Winter einen wertvollen Versorgungsbeitrag leisten können, und zweitens, weil sie sehr effizient sind und damit helfen, den Primärenergieverbrauch zu senken. Drittens wird Biogas als richtiger und wichtiger Schritt auf dem Weg zur Dekarbonisierung betrachtet und soll auch entsprechend gefördert werden.» Der Wermutstropfen hier: Dass das Fördersystem für Biogas dauernd in Bewegung ist, macht es für potenzielle Betreiber:innen von WKK-Anlagen schwierig, einen langfristigen Business Case zu rechnen.

WKK-Express statt zögerlicher Förderung

Der Bundesrat will den Ausbau der WKK-Technologie in den kommenden zehn Jahren mit 20 Mio. CHF jährlich fördern. Er rechnet damit, dass die neuen WKK-Anlagen im Winterhalbjahr künftig eine zusätzliche Strommenge von rund 400 GWh bereitstellen. Derzeit berät die Energiekommission des Nationalrats über diese Förderung.

Swisspower und POWERLOOP unterstützen sie, verlangen aber: Um die nötige Investitionssicherheit zu schaffen, soll die Anschubfinanzierung auf insgesamt 300 Mio. CHF erhöht werden und 200 Mio. CHF davon gleich zu Beginn statt jährlich fliessen. «Es braucht jetzt einen WKK-Express», fordert Kurt Lanz. «Bereits in den nächsten drei Jahren könnte eine Winterkapazität von rund 300 MW aufgebaut werden (siehe Infobox). Das entspricht ungefähr der Stromreserve, wie wir sie bislang mit dem Reservekraftwerk in Birr hatten. Der Bau der WKK-Anlagen ist aber günstiger als die Miete der Anlage in Birr für drei Jahre. Und vor allem liefern die WKK-Anlagen die nächsten 20 bis 30 Jahre lang verlässlich Wärme und Strom.»

Standortevaluation von Swisspower

WKK-Anlagen werden am sinnvollsten in thermischen Netzen, zum Bespiel an KVA-Standorten, anstelle von fossilen Spitzenlastkesseln eingesetzt. Swisspower hat in einer Studie für das Bundesamt für Energie 16 Standorte mit einem Potenzial von 288 MW elektrisch identifiziert, die innert drei Jahren realisiert werden können. An diesen Standorten sind die Verhältnisse ideal, um eine WKK-Anlage in den bestehenden Betrieb der Wärmeversorgung zu integrieren. Alle diese thermischen Netze verfügen über einen fossilen Reserve- oder Spitzenlastkessel, dessen Wärmeleistung im Mittellastbereich mit WKK-Abwärme abgedeckt oder ergänzt werden könnte. Zudem sind die Platzverhältnisse günstig und eine Anbindung an die Energienetze vorhanden.