«Gas als Energieträger ist kein Auslaufmodell»

Die Wärmeversorgung steht vor einem fundamentalen Umbau – von fossiler zu erneuerbarer Energie. Wie das Swisspower-Stadtwerk Eniwa diese Herausforderung anpackt und welche Rolle dabei Gas spielt, erzählt CEO Hans-Kaspar Scherrer im Interview.

Der Umstieg im Wärmemarkt von fossilen zu erneuerbaren Energien wird stark durch lokale energiepolitische Ziele getrieben. Welche Vorgaben bestehen für Ihr Netzgebiet?

Die Stimmbevölkerung der Stadt Aarau stimmte 2012 einer Änderung der Gemeindeordnung zu. Demnach sind Politik und Verwaltung verpflichtet, sich gemäss einem Absenkpfad für die 2000-Watt-Ziele und die 1-Tonne-CO2-Gesellschaft einzusetzen. Derzeit wird die Gemeindeordnung dem bis 2050 angestrebten Netto-Null-Ziel des Bundes angepasst. Als Zwischenziel soll die Wärmeversorgung bis 2030 zu einem Drittel durch erneuerbare Energie abgedeckt werden. Erneuerbares Gas ist eine wichtige Massnahme dafür. Sein Anteil am verkauften Gas im Wärmemarkt soll bis 2030 40 Prozent und bis 2050 100 Prozent betragen. Aarau verfolgt also keine direkte Gasausstiegsstrategie.

Was bedeuten die Vorgaben für Ihr Unternehmen?

Sie erfordern einen sehr aufwendigen Umbau der Wärmeversorgung hin zu lokaler und erneuerbarer Energie. Wir setzen bei Fernwärme und Fernkälte vor allem auf Grundwasser und Abwärme der KVA als Energieträger. Damit die Transformation gelingt, braucht es eine fundierte Netzplanung und eine enge Zusammenarbeit mit den Fachleuten der Stadtentwicklung.

Hans-Kaspar Scherrer, CEO Eniwa AG
Hans-Kaspar Scherrer, CEO Eniwa AG
«Für die Wärmetransformation braucht es eine enge Zusammenarbeit mit den Fachleuten der Stadtentwicklung. »
Haben Sie die Unternehmensstrategie im Hinblick auf diese Transformation angepasst?

Ja, schon vor einigen Jahren. Neu ist der steigende Zeitdruck. Obwohl uns noch 30 Jahre für diesen Umbau bleiben, wird er sehr anspruchsvoll. Zu den Herausforderungen gehört etwa die Beschaffung grosser Mengen an erneuerbarem Gas – aus der Schweiz und auch aus dem Ausland mit entsprechender Anerkennung. Ausserdem besteht bei der Planung von Wärmeverbünden eine hohe Unsicherheit darüber, wie stark sich die Qualität der Gebäude in den kommenden Jahren verbessert. Dies beeinflusst nicht nur den Wärmebedarf, sondern auch, ob möglicherweise der Kältebedarf steigt.

Der Gasverkauf ist für die meisten Stadtwerke wirtschaftlich ein besonders wichtiges Geschäftsfeld, dürfte aber in den kommenden Jahren spürbar abnehmen. Kann das Geschäft mit Wärme- und Kälteverbünden den absehbaren Gewinnrückgang kompensieren?

Kurzfristig nicht. Denn es dauert 15 bis 20 Jahre, bis Wärme- und Kälteverbünde in die schwarzen Zahlen kommen. Allerdings bin ich beim Gasverkauf nicht pessimistisch. Denn Gas hat weiterhin eine wichtige Funktion. Gerade für Industriebetriebe mit hohem Temperaturniveau macht Gas Sinn. Und auch fürs Winterstromdefizit kann sich Gas zu jener Lösung entwickeln, die wir bisher vergeblich gesucht haben – Wärme-Kraft-Kopplung. Mehr und mehr werden Verbundlösungen für ganze Areale die klassischen Einzelheizungen ablösen. Es ist also zu früh, den Energieträger Gas schon als Auslaufmodell abzuschreiben. Jedoch ist es wichtig, auch beim Gas die CO2-Emissionen stetig zu reduzieren.

Welche Faktoren bestimmen aus Ihrer Sicht darüber, ob ein Stadtwerk bei der Transformation des Wärmemarkts zu den Gewinnern oder den Verlierern gehören wird?

Ein zentraler Erfolgsfaktor ist die Zusammenarbeit mit den kommunalen Behörden. Hier haben die Stadtwerke einen grossen Vorteil, weil sie meist im Besitz der Städte und Gemeinden sind. Es braucht einen engen und möglichst frühzeitigen Austausch mit der Stadtentwicklung, um festzulegen, welche Gebiete sich für welche Energielösungen optimal eignen und wie ein allfälliger Umbau etappiert werden kann. Genauso wichtig ist jedoch die rechtzeitige Kommunikation mit den Kunden. Auch sie müssen verstehen, warum neue Lösungen nötig sind und wie wir vorgehen. Weiter vermeiden die Gewinner von morgen jegliche Investitionen, die sich nicht amortisieren lassen. Für das Gasnetz bedeutet dies: Wir erneuern es nur noch in Gebieten, wo ein entsprechender Bedarf der Kunden vorhanden ist. Ansonsten bieten wir den Kunden andere Lösungen an. Ein grosses Erfolgspotenzial sehe ich ausserdem bei der Gebäudekälte. Angesichts des Klimawandels sollten die Stadtwerke die Kälteversorgung rechtzeitig zu einem starken Geschäftsfeld entwickeln. Gerade moderne und gut gedämmte Gebäude haben oftmals mit zu hohen Innentemperaturen im Sommer zu kämpfen.