Geordneter Rückzug aus der Gasversorgung: Wie Frauenfeld die Wärmewende anpackt

Selbstverantwortung statt Verbote: Auf diesem Grundsatz basiert das neue Gasreglement der Stadt Frauenfeld. Es gibt den langfristigen Rückzug aus der Gasversorgung vor. Welche konkreten Änderungen bringt es mit sich? Und warum hat sich Frauenfeld für dieses Vorgehen entschieden? Fragen an Stadtrat Fabrizio Hugentobler.

Welche energiepolitischen Ziele hat sich die Stadt Frauenfeld gesetzt?

Fabrizio Hugentobler: Wir haben vier energie- und klimapolitische Ziele definiert: Erstens soll der Energieverbrauch pro Person bis 2050 auf eine Dauerleistung von 2000 Watt reduziert werden. Zweitens wollen wir die Treibhausgasemissionen im Stadtgebiet bis 2050 auf Netto-Null senken. Drittens soll die erneuerbare Stromproduktion in Frauenfeld bis 2030 auf rund 37 GWh ansteigen. Und unser viertes Ziel: Bis 2040 wollen wir die stadteigenen Bauten und Anlagen zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien betreiben und beheizen und so die Treibhausgasemissionen auf Netto-Null bringen.

Welche Bedeutung hat Gas heute für den Wärmemarkt in Frauenfeld?

Es spielt eine zentrale Rolle. In den letzten 40 Jahren haben wir viel in die Gasinfrastruktur investiert, um das Erdöl zu ersetzen. Das ist zwar gut, weil das Klima weniger belastet wird. Aber auch Erdgas ist ein fossiler Brennstoff. Deshalb wollen wir fürs Heizen nun erneuerbare Alternativen anbieten, vor allem in Form von Fernwärme. Allerdings können wir die Gasversorgung nicht von heute auf morgen durch andere Wärmelösungen ersetzen. Denn unser Gasnetz ist insgesamt etwa gleich lang wie das Wassernetz.

Zur Person

Fabrizio Hugentobler ist seit 2019 Stadtrat von Frauenfeld, wo er dem Departement Thurplus, Freizeit und Sport vorsteht. Im Jahr 2024 wurde er in den Grossen Rat des Kantons Thurgau gewählt.

Der Stadtrat von Frauenfeld hat eine neue Gasnetzstrategie und ein neues Gasreglement verabschiedet. Welche Änderungen bringt dies mit sich?

Das Gasreglement gibt uns einen klaren rechtlichen Rahmen für die Energietransformation. Die Kernaussage lautet: Ab 2040 gibt es keine Garantie mehr für die Versorgung mit Gas für Komfortwärme. Nicht davon betroffen ist die Versorgung für Prozessgasanwendungen. Weiter vereinfacht das neue Gasreglement die Tarife. Und wir haben den Anteil Biogas auf 20 Prozent erhöht und wollen ihn weiter steigern.

Weshalb haben Sie sich dafür entschieden, eine konkrete Jahreszahl zu nennen, bis wann die Gasversorgung für Wärmeanwendungen garantiert ist?

Durch diese klare Kommunikation wissen die Hauseigentümer:innen mit einer Gasheizung: Längerfristig müssen sie sich nach einer Alternative umsehen. Damit setzen wir auf die Selbstverantwortung unserer Bürger:innen, anstatt mit Verboten zu arbeiten. Das Gasreglement gibt den Kund:innen die Freiheit, sich innerhalb der übergeordneten energiepolitischen Rahmenbedingungen für eine Heizenergie ihrer Wahl zu entscheiden. Sie haben genügend Zeit, sich auf die kommenden Änderungen vorzubereiten. Auch wer erst vor Kurzem eine Gasheizung installiert hat, kann diese noch amortisieren.

Warum wurde das Jahr 2040 als Enddatum der garantierten Gasversorgung festgelegt?

Um das Netto-Null-Ziel bis 2050 zu erreichen, müssen wir möglichst viele Massnahmen der Energietransformation schon früher umsetzen. Dazu gehört auch der Wechsel auf erneuerbare Wärmelösungen. Das Jahr 2040 ist aber noch aus einem weiteren Grund gut gewählt: Unser Gasnetz ist verhältnismässig jung. Bis 2040 müssen wir nicht gross in die Erneuerung investieren – das kommt uns finanziell entgegen.

Welche Rückmeldungen haben Sie zum kommunizierten Vorgehen erhalten?

Wie bei allen politischen Entscheidungen gibt es unterschiedliche Meinungen dazu. Der Hauseigentümerverband zum Beispiel hat unsere Strategie befürwortet. Viele Hauseigentümer:innen sehen darin einen fairen Ansatz. Andere Stimmen kritisieren unser Vorgehen als zu langsam. Im Parlament haben wir einen guten Kompromiss gefunden. Denn letztlich geht es darum, rasch eine Lösung auf den Boden zu bringen, statt noch lange zu diskutieren.

Wie unterstützen das Swisspower-Stadtwerk Thurplus und andere städtische Stellen die Hauseigentümer:innen beim Wechsel auf ein Heizsystem mit erneuerbarer Energie?

Unsere städtische Energiefachstelle E-Team bietet ganzheitliche Energieberatungen zu allen Energiethemen an. Zusätzlich berät Thurplus die Hauseigentümer:innen spezifisch im Wärmebereich. In den Gebieten, die mit Fernwärme erschlossen werden, tauschen sich unsere Fachleute aktiv mit den Hauseigentümer:innen aus und machen ihnen klar: Sie sollten die Gelegenheit nutzen, ihre Liegenschaften jetzt ans Fernwärmenetz anzuschliessen.

Wo sehen Sie bei der Wärmewende die grössten Herausforderungen?

Derzeit erfolgt die Wärmeversorgung in Frauenfeld zu etwa drei Vierteln mit Öl und Gas. Um das Netto-Null-Ziel zu erreichen, müssen rund 3500 fossile Heizungen durch erneuerbare Wärmelösungen abgelöst werden. Das zeigt, wie gross die Herausforderung ist.

Und wie packen Sie sie an?

Wir setzen stark auf Fernwärme: In der Altstadt bauen wir das bestehende Fernwärmenetz aus und im Westen der Stadt investieren wir rund 30 Millionen Franken in ein neues Fernwärmenetz. Auch für weitere Stadtteile prüfen wir nachhaltige Wärmelösungen. Dabei werden wir verschiedene Technologien und Energieträger brauchen, die alle ihre Berechtigung haben. Es bringt nichts, dogmatisch nur auf eine Lösung zu setzen. Ebenfalls wichtig ist für uns das Projekt «Energieperspektive».

Worum geht es dabei?

Gemeinsam mit der Empa erarbeiten wir eine Zielnetzplanung für den gesamten Energieverbrauch für die Jahre 2030, 2040 und 2050. Sie zeigt uns den mutmasslichen künftigen Energiebedarf in Frauenfeld auf. Dabei schliesst sich wieder der Kreis zur Wärmeversorgung. Denn wir können im Rahmen der Zielnetzplanung auch modellieren, welche Heizlösung für ein Quartier oder eine Liegenschaft optimal ist.

Sie haben es bereits erwähnt: Mit dem neuen Gasreglement planen Sie, den Anteil erneuerbarer Gase zu erhöhen. Wie gehen Sie dazu vor?

Die Stadt Frauenfeld ist Mitbesitzerin einer Biogasanlage: Wir sind an der Kompogas Winterthur AG beteiligt. Aber das wird nicht reichen, um den Anteil erneuerbarer Gase zu erhöhen. Schon unseren heutigen Biogasanteil von 20 Prozent erreichen wir nur mit dem Zukauf von Zertifikaten. Es macht keinen Sinn, allein Kleinprojekte zu starten. Sich zusammenzuschliessen und gemeinsame Projekte zu realisieren, ist nachhaltiger.