Stadtwerk Winterthur: Mit Netzsimulationen zum Smart Grid

Als einer der ersten Schweizer Netzbetreiber nutzt Stadtwerk Winterthur eine cloud-basierte Netzanalyse-Plattform. Regelmässige Netzsimulationen ermöglichen, das Verteilnetz gezielt und kostenoptimiert weiterzuentwickeln. So wird es fit für die erneuerbare Energiezukunft.

Diese Frage interessiert jeden Netzbetreiber: Wie verändern sich die Lastflüsse in unserem Stromnetz über den Tag? Um das eigene Netz besser zu verstehen, begann Stadtwerk Winterthur schon vor mehreren Jahren damit, datengetriebene Netzanalysen zu machen. Doch mit dem bisherigen Tool waren sie sehr aufwendig und nur beschränkt aussagekräftig.

Energiewelt von morgen simulieren

Im Hinblick auf den Umbau des elektrischen Netzes entschied sich Stadtwerk Winterthur deshalb frühzeitig, auf eine moderne, cloud-basierte Netzanalyse-Plattform umzusteigen. «Nach einer Ausschreibung fiel unsere Wahl auf die Lösung von Adaptricity, einem Spin-off der ETH Zürich», sagt André Gomes, Projektleiter Smart Energy. «Damit lassen sich die Lastflüsse im Verteilnetz von heute detailliert abbilden und jene im Smart Grid von morgen realistisch vorhersehen.» Grosse Verbraucher, Batteriespeicher und Photovoltaikanlagen auf Kundenseite werden ebenso einbezogen wie intelligente Netzbetriebskomponenten – etwa Spannungsregler und regelbare Ortsnetztransformatoren – auf Betreiberseite. Auch die unterschiedliche Situation im Sommer und im Winter kann Stadtwerk Winterthur nun analysieren.

Im Juni 2020 ging die neue Plattform online. Die Analysen des Verteilnetzes basieren auf Zeitreihen-Simulationen mit Messdaten. Durch den wachsenden Anteil Smart Meter werden die Ergebnisse immer genauer. Weil das System die Daten nachts automatisch aktualisiert, sieht Stadtwerk Winterthur jederzeit das tagesaktuelle Netz.

Spannungsprobleme visualisieren

Mit der Netzanalyse-Plattform können die Fachleute von Stadtwerk Winterthur den Lastfluss kritischer Leitungen anschauen und Spannungsprobleme visualisieren – sowohl in einer schematischen als auch in einer geografischen Darstellung. «Dadurch erkennen wir unter anderem, ob das Problem bei einem ganzen Strang oder nur auf einem Abschnitt besteht.» Um die optimale Lösung zu finden, lassen sich virtuell verschiedene Arten von Netzverstärkungen einbauen und mit den Kosten hinterlegen. Mit der Software können die verschiedenen Netzverstärkungen simuliert und ihre Effektivität bzw. das Kosten-Nutzen-Verhältnis beurteilt werden.

Zusätzlich bietet das System laut André Gomes die Möglichkeit, Stresstests für die Zukunft zu machen: «Wie wirkt es sich auf das Netz aus, wenn zum Beispiel zusätzliche Wärmepumpen und Ladestationen für Elektroautos in Betrieb gehen? Auch dafür lassen sich virtuelle Entlastungsmassnahmen einbauen und Vorher-nachher-Vergleiche erstellen.»

Solche Analysen dienen dazu, bei Netzplanung und -betrieb die richtigen Prioritäten zu setzen und unnötige Investitionen zu vermeiden. Neben dem Produktivtool besteht ein Testtool: «Dieses ist für uns nützlich, um Schulungen durchzuführen und neue Softwareversionen zu testen, ohne dass wir Fehler im System verursachen.»

Einsatz im operativen Netzbetrieb

Seit der Einführung hat Stadtwerk Winterthur die Netzanalyse-Plattform stark für die strategische Planung genutzt. Grosses Potenzial sieht André Gomes aber zum Beispiel auch bei Netzumschaltungen: «Muss eine Stromleitung bei Bauarbeiten umgelegt werden, hilft die Software unseren Fachleuten schnell und einfach bei der Beurteilung, ob die Umschaltung der neuen Belastung genügt.» Dank ihrer Vielzahl an Funktionen ist die Software aus dem Tagesgeschäft des operativen Netzbetriebs von Stadtwerk Winterthur nicht mehr wegzudenken.