«Wer künftig die Daten im Griff hat, macht das Geschäft»

Die Stadtwerke sind mit der rasanten Veränderung ihrer Branche konfrontiert. Ein wichtiger Schlüssel zur erfolgreichen Unternehmensentwicklung liegt in der Innovation. Wie Swisspower die Stadtwerke auf diesem Weg unterstützt, erklärt Orlando Gehrig, Leiter Swisspower Innovation.

Die meisten Unternehmen behaupten von sich, innovativ zu sein. Was macht für Sie eine innovationsfreundliche Unternehmenskultur aus?

Sie hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab wie gelebter Fehlerkultur, verfügbaren Mitteln und entsprechenden Führungsprozessen. Eine wichtige Voraussetzung ist zudem, dass Ideen und Lösungs­ansätze aus allen Bereichen und Hierarchiestufen in die Weiterentwicklung des Geschäfts­modells einfliessen. Etwas pointierter: Eine innovationsfreundliche Kultur entsteht, wenn die Geschäftsführung es schafft, dass die Erneuerungskräfte im Unternehmen die Oberhand behalten.

Welches sind die wichtigsten Erfolgsfaktoren, damit Innovation nicht nur ein Lippenbekenntnis bleibt?

Innovation wird dadurch definiert, dass eine neue Idee am Markt erfolgreich ist. Ein Stadtwerk muss künftig also noch näher bei seinen Kundinnen und Kunden sein. In vielen Branchen ist es üblich, neue Produkte und Dienstleistungen gemeinsam mit Kunden zu entwickeln und zu testen. Es dauert einfach zu lange, im stillen Kämmerlein zu pröbeln und dann zu erkennen, dass der Markt nicht auf das Produkt gewartet hat. Ein weiterer zentraler Erfolgsfaktor ist der interne Kompetenzaufbau im Bereich Digitalisierung. Ich glaube fest an den Spruch «Every company is going to be a software company». Vielleicht sind Themen wie Internet of Things, LoRa, Smart Metering und Smart Home ein Hype. Sie zeigen aber klar auf, wo die Reise hingeht: Wer künftig die Daten im Griff hat, macht das Geschäft. Das ist nicht nur gegenüber den Kunden entscheidend, sondern auch auf dem Arbeitsmarkt. Insbesondere Nachwuchskräfte wollen in einem Unternehmen arbeiten, das innovativ ist.

Welches Vorgehen raten Sie einem Stadtwerk, das seine Innovationskraft verstärken will?

Es sollte dafür dedizierte Ressourcen bereitstellen, also spezielle Fachpersonen oder sogar Teams einsetzen. Denn die Innovationskultur zu fördern, eine Pipeline an Geschäftsmodellen und Produkten aufzubauen und über die Unternehmensgrenzen hinweg Partnerschaften einzugehen, ist eine eigene Disziplin. Zudem zahlt es sich aus, nicht alles selbst machen zu wollen. Die meisten Stadtwerke stehen vor ähnlichen Herausforderungen. Es macht deshalb Sinn, Ressourcen zu teilen und gemeinsam an konkreten Fragestellungen zu arbeiten. Dieser Gedanke liegt der Kooperation Swiss­power Innovation zugrunde, bei der zurzeit rund zehn Stadtwerke sowie Forschungs- und Wirtschaftspartner mitmachen.

Welche ersten Schwerpunkte setzt Swisspower Innovation?

Wir sind soeben gestartet und werden in den kommenden Monaten das Monitoring der Markt- und Technologieentwicklung aufbauen. Gleichzeitig erarbeiten und verankern wir mit unseren Partner-Stadtwerken ein Zielbild «Stadtwerk 2030». Zudem geht es mir darum, uns rasch im Umfeld der Hochschulen und des Swiss Competence Centers for Energy Research (SCCER) sowie mit verschiedenen Wissensplattformen zu vernetzen. Wir wollen die PS jetzt auf den Boden bringen. Daher lautet mein Ziel, rasch konkrete Use Cases zu identifizieren und auf ihr Potenzial zu prüfen, indem wir entsprechende Design-Thinking-Formate anwenden. Ein weiteres wichtiges Thema sind Jungunternehmen. Wir werden nächstes Jahr die Frage angehen, wie wir systematisch Start-ups scouten, um mit ihnen zusammenzuarbeiten oder sie zu finanzieren.

Wie gehen Sie vor, um Swisspower Innovation zu einer starken Innovationsplattform zu entwickeln?

Ich werde rasch konkrete Fragestellungen identifizieren und sie mit Partner-Stadtwerken vertiefen, die sie ebenfalls als prioritär erachten. Dafür braucht es ein Vertrauensverhältnis untereinander. Innerhalb der Stadtwerke gibt es eine Vielzahl guter Ideen. Ich sehe Swisspower Innovation als Katalysator, um sie zu verwirklichen.

Welche Rolle spielen die Industriepartner und Forschungsstellen, mit denen Sie zusammenarbeiten?

An Swisspower Innovation sind ABB, IBM, Migros und Siemens beteiligt. Diese Unternehmen sind global aufgestellt und verfügen über Lösungsansätze, die für die Partner-Stadtwerke interessant sind. Ich erwarte, dass sich dadurch die Entwicklungszeiten für unsere Projekte erheblich verkürzen. Unsere Forschungspartner Universität St.Gal­len, Empa und EPFL betreiben eigene Kompetenzcenter im Energiebereich. Der Transfer von der Wissenschaft in die Praxis wird so beschleunigt – und umgekehrt. Gleichzeitig sind diese Partner die wichtigen Anlaufstellen für Studien und Vertiefungsarbeiten.

Orlando Gehrig ist seit September 2017 Leiter Swisspower Innovation. Zuvor war er für die Innovationsförderung im Kanton Bern verantwortlich, unter anderem auch für das Projekt Switzerland Innovation Park Biel-Bienne.