Interview zur Konvergenz der Netze

In einem Interview fürs Jahrbuch «energiezukunft» erklären Urs Glutz, Leiter Public Affairs von Swisspower, und Michael Schmid, Leiter Public Affairs des VSG, warum verschiedene Städte und städtische Energieversorger die Netzkonvergenz vorantreiben und welche Rolle dabei das Erdgasnetz spielt.

Die Strom-, Gas- und Fernwärmenetze wurden in der Vergangenheit meist unabhängig voneinander betrieben. Verschiedene Städte und städtische Energieversorger treiben nun die Netzkonvergenz voran, indem sie die unterschiedlichen Energienetze als Gesamtsystem konzipieren. So leisten sie einen Beitrag zu einer auf erneuerbare Energien und Energieeffizienz ausgerichtete Energiepolitik, wie sie in zahlreichen Städten verfolgt wird. Aktuelles Beispiel: die Netzkonvergenz von Swisspower und dem Verband Schweizerische Gasindustrie VSG.

Grafik Netzkonvergenz
Grafik Netzkonvergenz

Urs Glutz, wie beurteilen Sie aus Sicht von Swisspower die aktuelle Situation im Schweizer Energiemarkt?

Die Swisspower Stadtwerke unterstützen den anvisierten langen Zeithorizont von mehreren Jahrzenten, in denen der Paradigmenwechsel (Umbau des Energiesystems Schweiz) vollzogen werden soll. Der skizzierte Weg des BFE mit einer ersten Phase bis 2020, einer zweiten Phase bis 2035 und einer dritten Phase bis 2050 ist sinnvoll. Der Umbau des Energiesystems Schweiz ist ein langwieriges, kompliziertes und kontrovers diskutiertes Projekt. Bei der Betrachtung der Einzelmassnahmen zeigt sich, dass eine deutliche Tendenz zum ‹Strom› besteht und die anderen notwendigen Energieträger teilweise ausgeblendet werden. Die Swisspower Stadtwerke, die als Querverbundunternehmen, ihren Kunden Strom, Erdgas und Wärme anbieten, sind klar der Meinung, dass die vorliegende Vorlage diesem Querverbundgedanken zu wenig Rechnung trägt. Zudem ist die staatliche Eingriffstiefe in vielen Bereichen zu hoch. Nur wenn es gelingt, Produzenten und Konsumenten, Politik und Behörden, Wirtschaft und Gesellschaft zu enger Kooperation zu verpflichten, hat die nachhaltige Energieversorgung eine Chance. Gerne sind wir Swisspower Stadtwerke bereit, unseren Beitrag zu leisten und an der erfolgreichen Umsetzung tatkräftig und zielorientiert mitzuarbeiten.

Michael Schmid, welche Rolle spielt die Gasversorgung im aktuellen Schweizer Energiemarkt?

Erdgas hat gegenwärtig einen Anteil von 13,5 % am schweizerischen Endenergieverbrauch. Das tönt nach wenig, allerdings ändert sich dieses Bild, wenn man sich bewusst ist, dass die Elektrizität – welche die Energiepolitik weitaus am stärksten beschäftigt – auch nicht mehr als 25 % des Verbrauchs ausmacht. Klar dominierend sind immer noch Erdölbrenn- und treibstoffe, mit rund 52 %. Erdgas kann in einer Vielzahl von Anwendungen genutzt werden, zum Heizen, Kochen, als Prozessenergie in der Industrie, zur Stromproduktion und als Treibstoff für Fahrzeuge.

Urs Glutz, wie kann man sich als Laie das Zusammenwirken der Energienetze am praktischen Beispiel der Swisspower-Stadtwerke und der Gasindustrie konkret vorstellen?

Die Swisspower Stadtwerke betreiben Strom-, Gas-, Wärme-, Wasser- und Kommunikationsnetze. Konvergenztendenzen zwischen den drei grossen Energienetzen Strom, Gas und Wärme zeichnen sich bereits sehr konkret ab. Die Netzbetreiber werden jenseits der Technik mit neuen Anforderungen konfrontiert – Marktöffnungsmodelle, Vertragsbeziehungen, intelligente Energiemanagementsysteme, Kommunikationsbedürfnisse, Geschäftsprozesse undsoweiter. Das gilt ebenso für die Konvergenz zwischen Strom- und Gasnetzen. Die unregelmässige Stromeinspeisung aus erneuerbaren Quellen findet in der flexiblen und leistungsfähigen Gasinfrastruktur einen idealen Partner. Der Nutzung der Erdgasinfrastruktur kommt deshalb in der Energiestrategie 2050 eine hohe Bedeutung zu.

Michael Schmid, was ist die grösste Herausforderung für die Gasindustrie in Bezug auf die Netzkonvergenz?

In der Vergangenheit wurden Strom-, Gas- und Wärmenetze in der Regel je für sich alleine betrachtet. In Zukunft sollten die verschiedenen Infrastrukturen als Gesamtstystem gedacht und weiterentwickelt werden. Zwei Beispiele: Mit dem Ausbau von Photovoltaik und Windkraft wird es Zeiten geben, in denen mehr Strom produziert, als im Moment gebraucht wird. Mit der Power to Gas-Technologie, mit der Strom in Wasserstoff umgewandelt wird, besteht die Möglichkeit, diese Energie über das Gasnetz zu nutzen. Umgekehrt haben wir im Winter einen erhöhten Strombedarf, der noch zunehmen dürfte, wenn vermehrt elektrische Wärmepumpen genutzt werden. Dann ermöglichen erdgasbetriebene WKK-Anlagen, die Nachfrage weiterhin zu decken. Mit verbesserten Kommunikations- und Steuerungstechnologien kann alles optimal aufeinander abgestimmt werden, so dass die Energieversorgung effizient und umweltschonend sichergestellt wird.

Urs Glutz, wo sehen Sie Swisspower Stadtwerke im Jahr 2050?

Die Swisspower Stadtwerke streben langfristig die Versorgung der Schweiz mit erneuerbarer Energie an. Sie setzen dieses Ziel schrittweise und glaubwürdig anhand eines Masterplans um. Die Umsetzung erfolgt mittels konsequenter Anwendung von Energieeffizienzmassnahmen sowie unter Einbezug eigener Produktionsanlagen und durch die Vernetzung mit dem schweizerischen und europäischen Energiemarkt.

Michael Schmid, wird Gas 2050 der Energieträger Nummer 1 sein?

Ich wage keine Prognose für das Jahr 2050, ich bin aber überzeugt: Wenn wir ambitiöse klimapolitische Ziele erreichen wollen, geht das nicht ohne eine gut funktionierende Gasinfrastruktur. Die CO2 -Intensität von Erdgas ist 25 % geringer als jene von Erdöl und halb so gross wie bei der Kohle. Da muss also möglichst rasch eine Verlagerung stattfinden. Kommt dazu, dass der Anteil erneuerbarer Gase im Gasnetz sukzessive gesteigert wird. Die Gasinfrastruktur mit ihren riesigen Transport- und Speicherkapazitäten kann einen bedeutenden Beitrag leisten für die Förderung der erneuerbaren Energien.