«Jetzt braucht es das Engagement der Swisspower Stadtwerke»

Energiepolitisch begann das Jahr 2017 gleich mit einem Paukenschlag: Die Energiekommission des Nationalrats sprach sich im Januar einstimmig gegen das vom Bundesrat vorgeschlagene Klima- und Energielenkungssystem (KELS) aus. Was das für die Energiestrategie 2050 des Bundes bedeutet, welche wichtigen Entscheide 2017 sonst noch zu erwarten sind und welches die grössten aktuellen Baustellen in der Energiepolitik sind, erklärt Ronny Kaufmann, CEO der Swisspower AG.

Das KELS war als zweites Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050 gedacht. Bleibt die Energiestrategie nun auf halber Strecke stehen?

Ronny Kaufmann: Nein. Das KELS hätte im Bundesparlament keine Chance auf eine Mehrheit gehabt. Deshalb war es richtig, die Notbremse zu ziehen. Tatsache bleibt allerdings, dass der Umbau des Energiesystems in der Schweiz nur dann gelingen kann, wenn die Politik kluge Anreize setzt, die den Energiekonsum wirksam lenken. Es wird deshalb ein Lenkungspaket brauchen. Ich hoffe, dass der Bundesrat beim nächsten Anlauf ein besseres Gespür für die Mehrheitsfähigkeit einer Vorlage zeigt.

««Was es jetzt in den Wochen vor der Abstimmung braucht, ist das Engagement der Swisspower Stadtwerke. Sie geniessen eine hohe Glaubwürdigkeit bei ihren Kundinnen und Kunden.»»

Am 21. Mai stimmt die Bevölkerung über das Referendum zum Energiegesetz und damit übers erste Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050 ab. Wie schätzen Sie die Chancen ein?
Das Referendum der SVP ist insofern gut, dass die Legitimation für ein Generationenprojekt wie der Umbau des Energiesystems mit einem Ja nicht weiter hinterfragt wird. Andererseits birgt dieses Referendum das Risiko des Scheiterns und damit eines langfristig unsicheren Rechtsrahmens. Das wäre Gift für die Investitionsbereitschaft. Ich engagiere mich persönlich im Vorstand der Allianz «Schweizer Wirtschaft für die Energiestrategie 2050». Was es jetzt in den Wochen vor der Abstimmung braucht, ist das Engagement der Swisspower Stadtwerke. Sie geniessen eine hohe Glaubwürdigkeit bei ihren Kundinnen und Kunden. Bundesrat und Parlament wähnten sich bei Abstimmungen zu oft auf der sicheren Gewinnerseite. Ich glaube, es ist noch alles offen. Das Motto heisst deshalb für mich: dranbleiben.

Welche weiteren energiepolitischen Weichenstellungen stehen aktuell an?
Als Nächstes entscheidet der Nationalrat über das Gesetz «Um- und Ausbau der Stromnetze», das der Ständerat bereits behandelt hat. Dabei wird auch über Art. 6 Abs. 5 des StromVG zu entscheiden sein. Denn die aktuelle Anwendung dieses Gesetzesartikels erschwert es Energieversorgern, in die erneuerbare Stromproduktion in der Schweiz zu investieren. Weitere wichtige Geschäfte 2017 sind die Totalrevision des CO2-Gesetzes, die Revision des StromVG und die Arbeiten für ein Gasversorgungsgesetz. Ebenso bedeutend: Verschiedene Kantone diskutieren über die Integration der MuKEn 2014 in ihre Energiegesetze.

Wo sehen Sie die grössten Baustellen der Energiepolitik?
Im aktuellen Marktumfeld muss die Politik erstens und dringender denn je festlegen, welche Produktions- und Speicherinfrastrukturen in der Schweiz als strategisch gelten sollen. Dabei ist auf erneuerbare Energie zu setzen. Die Politik muss zweitens einen technologieneutralen Gesetzesrahmen für Speicher definieren, der unsere Branche die Chancen der Netzkonvergenz zwischen dem Strom- und dem Gasnetz nutzen lässt. Power-to-Gas-Anwendungen dürfen nicht weiter diskriminiert werden. Drittens wird der Energiekunde von morgen einen Teil der benötigten Energie selbst produzieren oder direkt vom Nachbarn kaufen wollen. Dezentrale Produktion und Speicherung sowie die Transaktionen zwischen Prosumern müssen geregelt werden. Während Energieversorger neue Geschäftsmodelle entwickeln und Blockchain-Start-ups am Markt bereits Millionen kapitalisieren, weiss die Politik noch nicht, wie sie damit umgehen soll.