Christian Gerber, neuer CEO der SWL Energie AG: «Es braucht eine transparentere Kommunikation zu den Strompreisen»

Seit Anfang Februar leitet Christian Gerber die SWL Energie AG. Wo setzt er die Schwerpunkte im Lenzburger Stadtwerk? Ein Gespräch über neue Dienstleistungen, schlanke Strukturen und den angeschlagenen Ruf der Energiebranche.

In der kommenden Woche sind Sie seit 100 Tagen CEO der SWL Energie AG. Welchen ersten Erfolg konnten Sie schon feiern?

Christian Gerber: Ein Erfolg ist für mich, wie wir uns als Geschäftsleitung neu formiert und gemeinsam eine Zielrichtung festgelegt haben. Ich merke: Alle ziehen mit und wollen miteinander den Weg in diese Richtung gehen. Das ist die beste Ausgangslage, um auch die übrigen Führungskräfte und das ganze Team mitzunehmen.

Ihr Wechsel zur SWL Energie AG ist in einer turbulenten Zeit erfolgt. Vor allem die deutlich höheren Strompreise der meisten Energieunternehmen hat in der Schweiz für erhitzte Gemüter gesorgt. Wie gehen Sie damit um?

Unser Ruf als Branche hat durch die hohen Preise stark gelitten. Ich höre oft Vorwürfe wie «Nun verdient ihr doppelt so viel». Hier hilft uns nur eine transparentere Kommunikation zu den Strompreisen. Viele Kundinnen und Kunden haben den Eindruck, dass höhere Preise automatisch höhere Gewinne für uns bedeuten. Wir müssen ihnen aufzeigen: Unsere Marge pro Kundin oder Kunde ist gedeckelt und sinkt sogar – egal, wie hoch der Strompreis ist.

Eines der wichtigsten Standbeine der SWL Energie AG war bisher die Gasversorgung in mehr als einem Dutzend Gemeinden. Welche Zukunft sehen Sie dafür?

Bei unseren Industriekunden bleibt Gas auch in Zukunft wichtig. Anders sieht es im Wärmebereich aus. Derzeit beobachten wir sogar, dass Gasheizungen wegen der hohen Gaspreise vorzeitig ersetzt und Gasanschlüsse rückgebaut werden. Das ist ein bedenklicher Trend. Vor allem, weil wir das Gasnetz künftig möglicherweise noch für andere Medien wie Wasserstoff brauchen werden.

Wie wollen Sie den Rückgang im Wärmebereich verlangsamen?

Indem wir die Gasversorgung ökologisieren und den Anteil Biogas rasch erhöhen. Dadurch wird es wieder legitimer, mit Gas zu heizen. Gut möglich, dass wir in 20 Jahren zwar deutlich weniger Gaskundinnen und -kunden haben, diese aber 100 Prozent erneuerbares Gas beziehen.

Welche sonstigen Pläne haben Sie, um die erneuerbaren Energien auszubauen?

Massiv ausbauen lässt sich in unserem Versorgungsgebiet die Photovoltaik – und zwar so, dass unser Stromnetz nicht zusätzlich belastet wird. Das gelingt mit einem optimierten Eigenverbrauch. Zu unseren Aufgaben gehört deshalb, interessierten Kundinnen und Kunden diese Zusammenhänge zu erklären, damit sie ihre Solaranlage richtig dimensionieren und allenfalls eine komplette Smart-Energy-Lösung realisieren.

Welche Rolle spielt dabei der Installationsbereich in Ihrem Unternehmen?

Eine zentrale Rolle – nicht nur bei der Photovoltaik. Er ermöglicht uns auch, der Kundschaft zusätzliche Dienstleistungen anzubieten, etwa im Bereich Smart Home. Dadurch positionieren wir uns neu und ganzheitlich: Egal, welche Fragen oder Anliegen die Kundinnen und Kunden rund um Energie haben, wir sind der richtige Partner und direkt vor Ort. Die Bevölkerung in der Region soll uns nicht länger nur als Unternehmen wahrnehmen, von dem sie Rechnungen erhält. Sondern als Dienstleister, der gute Lösungen für unsere Kunden anbieten und realisieren kann.

In welchen Bereichen macht für Stadtwerke weiterhin ein Alleingang Sinn? Und wo braucht es mehr Kooperationen?

Anlagen und Netze werden wir auch künftig selbst planen, realisieren und instand halten. Genauso erledigen wir die Prozesse rund um die Verrechnung weiterhin intern – unter anderem, weil damit viele Kundenfragen verbunden sind. Ein externes Callcenter beantwortet diese nie so gut wie unsere eigenen Mitarbeitenden mit ihrem Fachwissen und der lokalen Verankerung. Mehr Kooperationen und Outsourcing braucht es hingegen bei der IT, zum Beispiel bei der Zählerauslesung. Da benötigt unser Unternehmen kein eigenes System. Was wir schon heute nicht mehr selbst erledigen, ist die Energiebeschaffung. Hier kooperieren wir mit regionalen Gemeinden und werden von spezialisierten Dienstleistern unterstützt. Diese immer komplexere Aufgabe könnten wir allein gar nicht mehr bewältigen.

Ist auch die gemeinsame Materialbeschaffung ein Thema? Damit liessen sich beträchtliche Mengeneffekte erzielen.

Dafür bin ich offen. Wir selbst haben aber nicht die Kapazitäten, um die Beschaffung mit anderen Energieversogern zu poolen. Das sehe ich eher als mögliche Aufgabe für Swisspower. Massnahmen, um die Kosten zu senken, sind jedenfalls willkommen. Denn mir fällt auf: Stadtwerke haben vergleichsweise hohe Kosten.

Woran machen Sie das fest?

Ich habe zuletzt ein kleineres Energieunternehmen auf dem Land geführt, das kostengünstig arbeitet. In der Stadt sind verschiedene Kosten per se höher. Dies lässt sich kaum beeinflussen. Ansetzen können wir hingegen bei der Organisation. Meine Aufgabe sehe ich darin, in einem etwas grösseren Unternehmen genauso schlanke Strukturen und einfache Prozesse einzuführen wie bei einem kleinen ländlichen Energieversorger. Das hängt auch von der Unternehmenskultur ab. Ich pflege eine Kultur der kurzen Wege und motiviere die Mitarbeitenden dazu, offene Punkte rasch und pragmatisch zu klären.