Der Bundesrat hat die Vernehmlassung zum revidierten StromVG eröffnet. Wie sind die Reaktionen zur Vorlage aus der Branche und seitens der Parteien ausgefallen?
Jan Flückiger: Die Diskussion dreht sich derzeit vor allem um die vollständige Marktöffnung. SP und Grüne sehen diese kritisch, die bürgerlichen Parteien sind dafür. Kritik gibt es von bürgerlicher Seite an der nach wie vor stark regulierten Grundversorgung. Der VSE sieht mittelfristig vor allem die Versorgungssicherheit gefährdet, der Dachverband Schweizer Verteilnetzbetreiber (DSV) befürchtet eine stärkere finanzielle Belastung der Kleinkunden. Die drei grössten Stromversorger Alpiq, Axpo und BKW begrüssen die Marktöffnung. Bereits jetzt ist also absehbar, dass die Strombranche einmal mehr nicht mit einer Stimme sprechen wird.
Wie schätzen Sie die Erfolgschancen der Vorlage in der parlamentarischen Diskussion ein?
Ich sehe drei grosse Diskussionspunkte, welche die parlamentarische Debatte dominieren werden: die Marktöffnung, die Ausgestaltung der Grundversorgung sowie die Frage, ob es zusätzliche Stützungsmassnahmen für die erneuerbare, inländische Stromproduktion braucht.
Wie bringt sich Swisspower in die politische Diskussion ein?
Eine Arbeitsgruppe der Swisspower-Stadtwerke setzt sich derzeit intensiv mit der Vorlage auseinander und wird den Aktionären einen Positionierungsvorschlag präsentieren. Die verabschiedete Position werden wir bei den verschiedenen Partnern wie Städteverband, EnDK und VSE einbringen und natürlich beim UVEK in Form einer Vernehmlassungsantwort einreichen. Dann gilt es vor allem, das Gespräch mit den Parlamentarierinnen und Parlamentariern aller Parteien zu suchen.
Welches sind die wichtigsten Botschaften?
Die Vorlage darf die Umsetzung der Energiestrategie 2050 und die Erreichung der Klimaziele nicht gefährden. Eine unilaterale Marktöffnung ohne flankierende Massnahmen erfüllt diese Vorgabe nicht. Zudem müssen die Stadtwerke grösstmöglichen Handlungsspielraum haben, wie sie ihre Kundinnen und Kunden versorgen wollen; dies natürlich innerhalb der Ziele der Energiestrategie und der Klimapolitik. Weiter gilt es, die Verursachergerechtigkeit bei den Netztarifen zu stärken und einen echten Markt für Flexibilitäten zu schaffen.
In ihrer Medienmitteilung hat Swisspower ergänzende Massnahmen gefordert, um die inländische Produktion von erneuerbarem Strom zu stärken. Welche Massnahmen könnten das sein?
Wir haben verschiedene Modelle diskutiert. Eines davon war das Quotenmodell, ein anderes die Stärkung der Kostenwahrheit, beispielsweise mittels einer Abgabe auf nicht erneuerbaren Strom. Auf europäischer Ebene sind derzeit vor allem Ausschreibungen mit Marktprämien im Trend. Unser Verwaltungsrat hat bewusst offengelassen, mit welchem Mittel wir das Ziel erreichen wollen. Denn das ist auch abhängig davon, welches Modell sich als mehrheitsfähig erweist.
Welche Chancen und Risiken sieht Swisspower bei der vollständigen Marktöffnung?
Die Chance besteht darin, dass die Stadtwerke Marktanteile gewinnen können. Unsere Aktionäre sind gut aufgestellt. Wir müssen uns vor dem Wettbewerb nicht verstecken. Das Risiko besteht vor allem darin, dass die Kunden auf nicht erneuerbare, ausländische Billigprodukte setzen und damit die Umsetzung der Energiestrategie gefährden. Zudem wurden in der Schweiz gewisse Hausaufgaben noch nicht gemacht. Allein schon die hohen Wasserzinsen sind ein grosser Konkurrenznachteil gegenüber ausländischen Produzenten. Und die allermeisten Energieunternehmen in der Schweiz sind noch stark politisch geführt. Die Frage nach der richtigen Public Corporate Governance drängt sich auf. Diese Debatte muss im Zuge der weiteren Liberalisierung mit offenem Visier geführt werden.
Wie beurteilen Sie das vorgeschlagene Modell der künftigen Grundversorgung?
Die Vorlage sieht eine doppelte Regulierung der Grundversorgung vor. Einerseits über die Qualität des Produkts (inländisch, über die Jahre steigender erneuerbarer Anteil), andererseits über den Preis (Referenzmarktpreis). Bei den qualitativen Anforderungen sind wir einverstanden. Sie dürften sogar noch strenger sein, was den Anteil der Erneuerbaren anbelangt. Bei den Preisen sollte es lediglich eine Missbrauchskontrolle geben. Wird der Markt geöffnet, kann der Kunde das Produkt wechseln, wenn ihm die Grundversorgung zu teuer wird. Eine starke Preisregulierung, die sich mangels Vergleichsmöglichkeiten auch schwer umsetzen lässt, ist deshalb nicht sinnvoll.