Sie sind sowohl Jurist als auch Elektroingenieur. Wie hat das Ihre bisherige Tätigkeit in der Energiebranche geprägt?
Andy Kollegger: Weil sich in unserer Branche immer mehr auf der betriebswirtschaftlichen und der rechtlichen Seite abspielt, kommt mir das Jusstudium sehr entgegen. Zusammen mit den politischen Ämtern, die ich bisher innehatte, hilft es mir zu verstehen, wie die von uns anzuwendenden Gesetze zustande kommen. Und es erleichtert mir, die Gesetze besser zu verstehen. Dank meines juristischen Wissens konnte schon verschiedentlich auf den Beizug eines Anwalts verzichtet werden.
Seit Ihrem Stellenantritt haben Sie die EWD AG intensiv kennengelernt. Was zeichnet das Unternehmen aus?
Es engagiert sich neben dem Kerngeschäft Strom auch im Wärmebereich, allerdings nicht flächendeckend, sondern punktuell. Das ist ein wertvolles und wichtiges Standbein. Zudem haben es meine Vorgänger verstanden, das Engagement im Bereich Photovoltaik so auszugestalten, dass die Kopfarbeit bei uns im Haus geleistet wird, die Umsetzung aber mit lokalen Partnern erfolgt. Und bei den Elektroninstallationen konzentrieren wir uns auf den Service und überlassen die Neubauten den privaten Firmen. So ist unser Unternehmen bestens ins lokale Gewerbe eingebettet.
Zur Person
Andy Kollegger hat am 1. April 2024 als Vorsitzender der Geschäftsleitung der EWD AG die Nachfolge von Jürg Flückiger angetreten. Der 56-jährige Jurist und Elektroingenieur war bereits in verschiedenen Funktionen in der Energiewirtschaft tätig, unter anderem als Geschäftsleiter von Arosa Energie, als Bereichsleiter Projektentwicklung Erneuerbare Energien bei Repower und als stellvertretender Geschäftsführer bei Ökostrom Schweiz.
Welche Themen wollen Sie bei der EWD AG mit hoher Priorität anpacken?
Unser Leitsystem für Strom und Wärme ist am Ende der Lebensdauer und muss nächstens ersetzt werden. Ins neue Leitsystem wollen wir über das technische Netzwerk (OT) – also über die Hardware und Software, um Anlagen und Prozesse zu überwachen und zu steuern – auch möglichst viele Trafostationen einbinden. Das bedingt, dass diese Stationen erreicht und eingebunden werden können. Gleichzeitig müssen bis Ende 2027 80 Prozent unserer Stromzähler smart sein. Um für alle Beteiligten einen Nutzen daraus zu ziehen, sollten möglichst alle konventionellen Stromzähler ersetzt werden. Und die Smart Meter sollten in Echtzeit erreicht werden. Hier verschmelzen IT und OT immer mehr, was auch die Verletzlichkeit erhöht. Deshalb treffen wir im Bereich Cybersicherheit technische Vorkehrungen, führen Awareness-Schulungen durch und simulieren regelmässig externe Angriffe. Hohe Priorität hat für mich auch, die neuen Mitarbeitenden gut zu integrieren und unser ganzes Team noch enger zusammenzuführen.
Welche Schwerpunkte setzen Sie bei der Energieeffizienz und den erneuerbaren Energien?
Wir verstehen Energieeffizienz als einen Teilaspekt von Nachhaltigkeit. Unsere kürzlich erlangten ISO-Zertifikate im Nachhaltigkeits- und Umweltbereich verpflichten uns zu ständigen Verbesserungen. Um den Worten Taten folgen zu lassen, haben wir diesen Sommer die weltweit erste «Clean Air»-isolierte Schaltanlage in Betrieb genommen. Mit dieser Technologie ersetzen wir das äusserst klimaschädliche Isoliergas SF6. Bei den erneuerbaren Energien ist vor allem das Projekt für die alpine Photovoltaikanlage im Parsenngebiet zu nennen, das wir zusammen mit drei weiteren Swisspower-Stadtwerken entwickeln.
Wo sehen Sie derzeit die grössten Herausforderungen für die Schweizer Stadtwerke?
Zum einen erwarten uns in regulatorischer Hinsicht grosse Herausforderungen, unter anderem durch die Neuerungen des Mantelerlasses beim Messwesen, bei den Effizienzvorgaben und bei den Lokalen Elektrizitätsgemeinschaften (LEG). Zum anderen fordert uns die Dekarbonisierung im Wärme- und Mobilitätsbereich heraus. Immer wahrscheinlicher wird auch die vollständige Strommarktöffnung. Die Stadtwerke tun gut daran, sich darauf gedanklich vorzubereiten.
Wie sollten sich die Stadtwerke in den kommenden Jahren weiterentwickeln, um diese Herausforderungen zu meistern?
Der Vorteil der Stadtwerke ist das Lokale und die Nähe zu den Kund:innen. Mit der sich abzeichnenden Strommarktöffnung ist ein Ausbau des Kundendienstes angezeigt. Gleichzeitig drängt sich die Digitalisierung diverser Prozesse auf. Ich denke etwa an das Vertragsmanagement, ein automatisiertes Meldeverfahren bei Umzügen und ein Kundenportal zur Visualisierung des Stromverbrauchs. Um die dafür benötigten Fachkräfte zu haben, kommen die Stadtwerke nicht umhin, ihre Attraktivität zu steigern.
In welchen Bereichen macht für Stadtwerke weiterhin ein Alleingang Sinn? Und wo braucht es mehr Kooperationen?
Kooperationen sehe ich bei Themen, die alle Stadtwerke gleichermassen betreffen, etwa die Umsetzung von Branchenvorgaben und Regulationen, die Entwicklung von Tools und Hilfsmitteln, aber auch Massnahmen zur Dekarbonisierung. Bei grossen Projekten wie dem Solarprojekt «PV Alpin Parsenn» machen Kooperationen ebenfalls Sinn. Einen Alleingang sehe ich bei lokalen Anliegen, bei der strategischen Ausrichtung, der Produktentwicklung, der Kundenansprache und in unserem Fall bei der Mitarbeitergewinnung. Denn als Unternehmen im Berggebiet haben wir bei diesem Thema spezifische Anforderungen zu meistern.
Was erwarten Sie als Swisspower-Stadtwerk von der Allianz? Welche Schwerpunkte soll Swisspower in den kommenden Jahren setzen?
Ich erwarte vom Swisspower-Team, dass es sich um Themen kümmert, von denen alle Stadtwerke mehr oder minder in gleichem Masse betroffen sind. Swisspower muss die Lösungen nicht zwingend selbst entwickeln, aber sie uns anbieten können. Auch hoffe ich, dass wir zusammen mit anderen Swisspower-Stadtwerken weitere ähnliche Projekte wie die alpine Photovoltaikanlage im Parsenngebiet lancieren können.