Von Philipp Mäder, Leiter Public Affairs bei Swisspower
Bei der Abstimmung über das Energiegesetz vor vier Jahren war es der Mehrheit leichtgefallen, ein Ja in die Urne zu legen. 58 Prozent der Stimmenden sprachen sich für die Energiewende aus – nicht nur in den Städten, sondern auch in vielen ländlichen Regionen. Schliesslich schmerzte das damalige Ja beim eigenen Portemonnaie nicht.
Bei der Abstimmung vom 13. Juni 2021 über das CO2-Gesetz ist nun alles anders: 51.6 Prozent der Stimmenden sagen Nein – und auch 21 Kantone lehnen das Gesetz ab. Es ging zwar wie schon 2017 um die Energiewende und den Klimaschutz. Doch diejenigen Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, die heute überdurchschnittlich stark fossile Energieträger wie Öl, Diesel oder Benzin verbrauchen, hätten das neue CO2-Gesetz im eigenen Haushaltsbudget auch überdurchschnittlich stark gespürt: Ob beim Autofahren, Heizen oder Fliegen. Die Summe dieser Schmerzen hat nun zum Nein an der Urne geführt.
Schaut man die Resultate etwas genauer an, zeigt sich aber klar: Die meisten Städte haben das CO2-Gesetz angenommen. In der Ostschweiz beispielsweise Kreuzlingen mit 50.5 Prozent, in der Westschweiz Lausanne mit 67.7 Prozent. Unter den grossen Städten Basel mit 68 Prozent, bei den kleinen etwa Aarau mit 65.1 Prozent oder Biel mit 63.9 Prozent.
Der Auftrag der Stadtbevölkerung ist deshalb klar: Wir wollen mehr Klimaschutz! Diese Botschaft stösst bei den 22 Stadtwerken der Schweiz, die in der Swisspower-Allianz zusammengeschlossen sind, auf offene Ohren: Sie haben sich bereits vor Jahren dazu verpflichtet, die in den Städten benötigte Energie bis ins Jahr 2050 CO2-neutral zu liefern.
Das Resultat zeigt aber auch: Die Städterinnen und Städter sind bereit, für die Energiewende und damit für den Klimaschutz das eigene Portemonnaie zu öffnen: Sie finanzieren Wärmenetze, die ihre Häuser klimaneutral heizen. Sie kaufen Solarpanels, die ihre Häuser mit klimaneutralem Strom versorgen. Und sie zahlen für Biogasanlagen, die ihnen klimaneutrales Gas liefern. Deshalb werden die Stadtwerke den eingeschlagenen Weg hin zur Klimaneutralität weitergehen.
Während die Situation in den Städten klar ist, stellt sich die Ausgangslage auf eidgenössischer Ebene schwieriger dar. Offensichtlich ist nur: Das Nein zum CO2-Gesetz wird die Klimawende verlangsamen. Das ist vor allem für jene radikalen Klimaschützer eine bittere Erkenntnis, denen die Vorlage zu wenig weit ging, und die der Urne deshalb fernblieben oder gar Nein stimmten.
Was nun? Unser Land braucht eine abgespeckte Version des CO2-Gesetzes, die mehrheitsfähig ist. Dies auszuhandeln, wird im Parlament aber schwierig: Heisst das jetzige Nein zu den Lenkungsabgaben, dass es mehr Verbote und Vorschriften braucht? Oder sind über Steuern finanzierte Anreize zum Umstieg auf Wärmepumpen und Elektrofahrzeuge der richtige Weg? So oder so: Nichtstun ist keine Option.
Noch wichtiger aber ist eine andere Vorlage, die demnächst ins Parlament kommt: Der Mantelerlass zum Energie- und Stromversorgungsgesetz. Dabei geht es um den Ausbau der erneuerbaren Energieproduktion – sei es mit Wasserkraft, Sonnenenergie oder erneuerbaren Gasen und Wärmequellen. Der Handlungsbedarf ist aufgrund dreier Baustellen riesig: Erstens müssen wir bis 2050 fossiles Erdöl- und Erdgas, die noch immer über 60 Prozent unseres Energiebedarfs decken, durch klimaneutrale Alternativen ersetzen. Das lässt den Strombedarf steigen. Zweitens werden in spätestens zwanzig Jahren die letzten Atomkraftwerke der Schweiz aus Sicherheitsgründen vom Netz gehen. Und drittens gilt es, die Versorgungssicherheit der Schweiz zu garantieren – was noch schwieriger geworden ist, nachdem der Rahmenvertrag mit der EU gescheitert und damit auch ein Stromabkommen in weite Ferne gerückt ist.