Die Sicht aufs Gesamtsystem fehlt

Die ständerätliche Umweltkommission will starre Grenzwerte für den CO2-Ausstoss von Gebäuden einführen. Für eine umfassende Dekarbonisierung der Energieversorgung bräuchte es stattdessen eine Gesamtsystemsicht.

Von Jan Flückiger, Leiter Public Affairs und Kom­munikation von Swisspower

Im September berät der Ständerat das CO2-Gesetz. Nach dem Scheitern der Vorlage im ersten Anlauf im Nationalrat und vor dem Hintergrund der Klimademonstrationen sowie der anstehenden eidgenössischen Wahlen steht die Beratung im grellen Scheinwerferlicht. In welche Richtung es gehen könnte, zeigen die jüngst veröffentlichten Vorentscheide der zuständigen Kommission (UREK-S).

Neben Flugticketabgabe, Reduktionsziel im Inland und Klimafonds geht die einschneidendste Massnahme fast etwas unter: Wird in bestehenden Gebäuden die Heizung ersetzt, soll nach dem Willen der Kommissionsmehrheit ab 2029 ein Grenzwert von maximal zwölf Kilogramm CO2 pro Quadratmeter Energiebezugsfläche gelten. Dieser Wert soll alle fünf Jahre um fünf Kilogramm gesenkt werden. Was heisst das überhaupt? Zur Einordnung hilft folgender Vergleich: Allein die fossile Warmwasseraufbereitung verursacht sechs Kilogramm CO2/m2.

Energieeffizienz wird untergraben

Der Vorschlag der UREK-S ist nichts anderes als ein Verbot von (teil-)fossilen Heizsystemen, also auch WKK-Anlagen oder Gasheizungen, die mit einem signifikanten Anteil Biogas oder synthetischem Grüngas betrieben werden. Der vorgesehene Grenzwert lässt sich allein durch eine Sanierung der Gebäudehülle nicht erreichen. Damit wird das Ziel untergraben, die Energieeffizienz des Gebäudeparks zu erhöhen. Denn wer viel Geld für einen Heizungsersatz aufbringen muss, wird weniger bis gar nichts in die Energieeffizienz investieren. Zudem ist die Gefahr gross, dass viele Hausbesitzer noch schnell ihre alte Ölheizung durch eine neue ersetzen, bevor die Grenzwerte in Kraft treten.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet eine Kommission des Ständerates so stark in den Zuständigkeitsbereich der Kantone eingreift. Die kantonalen Energiedirektoren verfolgen im Rahmen der Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn) dasselbe Ziel, aber mit einem realistischeren Zielpfad – und ohne dabei die Energieeffizienz zu vernachlässigen.

Vor allem aber – und das ist für die Schweizer Energiepolitik symptomatisch – geht der Blick aufs Gesamtsystem verloren: Wenn als Folge dieser Regulierung etliche Wärmepumpen in schlecht isolierten Gebäuden installiert werden, dann steigt der Stromverbrauch im Winter massiv. Schon heute importiert die Schweiz im Winter grosse Mengen Strom – und diese Stromimporte sind stark CO2-belastet. Was man an einem Ort gewinnt, geht also am anderen Ort (zumindest teilweise) wieder verloren.

Saisonale Speicherung als Schlüssel

Der Zubau bei der erneuerbaren Stromproduktion wird hierzulande aller Voraussicht nach vor allem bei der Photovoltaik (PV) stattfinden. Selbst wenn wir künftig verstärkt auch winteroptimierte PV-Anlagen bauen sollten (etwa in den Alpen), wird das saisonale Ungleichgewicht in der inländischen Stromproduktion noch verstärkt.

Um dieses auszugleichen, könnten wir natürlich im Winter noch mehr Strom importieren. Doch erstens stehen auch im Ausland nicht zu jeder Zeit unbegrenzt erneuerbare Kapazitäten zur Verfügung, zweitens stockt der dafür nötige Netzausbau und drittens gibt es auch politische Unwägbarkeiten, beispielsweise das fehlende Stromabkommen mit der EU.

Der Schlüssel für eine erneuerbare und sichere inländische Energieversorgung heisst deshalb saisonale Speicherung. Eine der vielversprechendsten Technologien dazu ist Power-to-Gas: Überschüssiger erneuerbarer Strom im Sommer wird zu CO2-neutralem, synthetischem Gas. Im Winter können wir dieses Gas unter anderem verwenden, um Gebäude zu heizen. Am effizientesten geschieht dies in dezentralen WKK-Anlagen, die gleichzeitig den im Winter so dringend benötigten Strom produzieren. Photovoltaik und WKK ergänzen sich also ideal.

Lenkungsabgabe als Schmiermittel

Vorausgesetzt, es existiert weiterhin eine funktionierende Gasinfrastruktur. Doch wieso sollten Gemeinden, Städte und Energieversorger in den Erhalt der Netze und die Dekarbonisierung der Gasversorgung investieren, wenn die Politik entsprechende Lösungen präventiv verbietet?

Damit die Dekarbonisierung von Wärme, Mobilität und Stromversorgung Realität wird, braucht es eine Gesamtsystemsicht und keine Inselregulierungen. Als Schmiermittel für eine effiziente Klima- und Energiepolitik böte sich deshalb eine umfassende Lenkungsabgabe an, die alle Sektoren gleichermassen einbezieht. Damit liessen sich sowohl nicht beabsichtigte Nebenwirkungen von sektoriellen Einzelregulierungen als auch ein Wildwuchs von neuen Subventionstatbeständen vermeiden.