Anne Wolf bei energate: «Wir müssen die Winterstromproduktion jetzt stärken»

Bern (energate) - Es zeichnet sich ab, dass im Rahmen der Stromreserve-Vorlage keine Förderung von Wärme-Kraft-Kopplungs-Anlagen gesetzlich verankert wird. Denn die Energiekommission des Nationalrats (Urek-N) ist in dieser Frage dem Ständerat gefolgt. Die Stadtwerke-Allianz Swisspower macht sich seit Längerem für die Förderung neuer WKK-Anlagen stark. energate hat mit Anne Wolf, Director Public Affairs and Communications bei Swisspower, über die jüngsten politischen Entwicklungen gesprochen.

energate: Frau Wolf, was bedeutet es für die WKK-Förderung allgemein, wenn der Nationalrat seiner vorberatenden Kommission in der WKK-Frage folgt?

Wolf: Ich sehe den Entscheid der nationalrätlichen Kommission als verpasste Chance, eine Technologie zu unterstützen, welche direkt die Winterstromlücke adressiert. Nun ist diese Technologie akut davon bedroht, aus der Vorlage zu fallen. Wir unterstützen daher die Kommissionsminderheit und werden uns dafür einsetzen, dass die WKK-Förderung im Nationalrat eine Mehrheit findet. Die Schliessung der Winterstromlücke muss ein erklärtes Ziel der Parlamentarier:innen sein.

energate: Gäbe es die Möglichkeit, die WKK-Förderung in eine separate Vorlage auszugliedern?

Wolf: Die WKK-Förderung hätte bereits im Rahmen der Stromgesetzgebung verabschiedet werden sollen, aber wurde dann rausgenommen. Daher haben die Kommissionen selbst den Auftrag an den Bundesrat erteilt, sie nun im Zuge der Stromreserve-Vorlage zu behandeln. Eine erneute Verschiebung wird der Dringlichkeit der Lage nicht gerecht: Wir müssen die Winterstromproduktion jetzt stärken. Uns ist dabei wichtig klarzustellen: Eine Doppelförderung durch Teilnahme an der Reserve und die direkte Förderung ist ausgeschlossen. Und die Vergütung der Teilnahme an der Reserve reicht bei Weitem nicht, um den Bau von WKK-Anlagen zu fördern.

energate: Die Urek-N begründet ihre Ablehnung der WKK-Förderung damit, es sei nicht sinnvoll, "die beschränkten Mittel zur Förderung der erneuerbaren Energien für Anlagen einzusetzen, die in erster Linie mit fossilen Brennstoffen betrieben werden". Was sagen Sie zu diesem Argument?

Wolf: Die Frage ist: Wie gestalten wir den Anteil der Strom- und Wärmeproduktion im Winter effizient und kostengünstig? Die Winterstromlücke wird auf absehbare Zeit nicht nur durch Wasser, Solar oder Wind geschlossen. Und wir wollen uns nicht alleine auf den Import verlassen. WKK-Anlagen sind hocheffizient in dieser Hinsicht: Sie senken den Strombedarf durch ihre Wärmenutzung in thermischen Netzen und produzieren parallel noch Strom dazu.

Sogar ohne den Betrieb mit erneuerbaren Gasen sind WKK-Anlagen also die effizientere und damit klimafreundlichere Alternative zu teuren Gaskraftwerken und fossilen Spitzenlastkesseln. Und wie erwähnt, reicht die Vergütung der Reserve bei Weitem nicht, weil diese Anlagen wärmegeführt und nicht stromgeführt betrieben werden - und deshalb wenige Betriebsstunden aufweisen.

energate: Eine Kommissionsminderheit der Urek-N wollte an der Förderung festhalten, aber zugleich vorschreiben, dass die geförderten WKK-Anlagen bis 2040 zu 82 Prozent und bis 2050 zu 100 Prozent mit erneuerbarem Gas betrieben werden. Wie stehen Sie dazu?

Wolf: Wir unterstützen die Minderheit und werden uns dafür einsetzen, dass sie im Nationalrat angenommen wird. Wir sind einverstanden mit Massnahmen, welche einen Betrieb von WKK-Anlagen in Einklang mit den Klimazielen vorschreiben. Diese Minderheit ist ein wichtiges politisches Signal: Sie verbindet die Klimaziele mit Versorgungssicherheit und Effizienz. Darum geht es in der Energiewende.

energate: Wie wird Swisspower nun weiter verfahren?

Wolf: Wir setzen uns für den erwähnten Minderheitsantrag ein. Eine neue Vorlage hätte mit deutlich höheren politischen Hürden zu kämpfen. Diese Zeit haben wir nicht, wenn wir glaubwürdig die Stärkung der Energieproduktion im Winter angehen wollen. Und bis dahin werden zusätzliche (vermutlich fossile) Reservekraftwerke beziehungsweise neue fossile Spitzenlastkessel gebaut sein, womit sich die Wirtschaftlichkeit von WKK-Anlagen wiederum verschlechtert.

energate: Sollte eine neue Vorlage zur WKK-Förderung lanciert werden: Wie lange würde es dauern, um diese aufzugleisen und durch den politischen Prozess zu bringen?

Wolf: Im Moment ist Hochbetrieb in der Energiepolitik. Ich befürchte, dass die WKK-Förderung auf das Abstellgleis kommt, einfach weil mit dem Stromabkommen und anderen Reformen derart viel auf einmal umgebaut wird in der Branche. Das darf nicht passieren, wenn wir hier eine fix fertige Lösung für die Stärkung der Versorgungssicherheit hätten. 300 MW Leistung stehen bereit, um mit dieser Förderung innert drei Jahren gebaut zu werden: Da sollte man nicht mehr lange fackeln.

Beitrag von Marcel Jud, Redaktor bei energate