Bauprojekte sind bisher oft geprägt von Silodenken: Alle Beteiligten geben zwar ihr Bestes, denken aber primär an den eigenen Bereich. Entsprechend stark fragmentiert sind Planung und Ausführung. Als Folge kommt es zu Schnittstellenproblemen, Doppelspurigkeiten, Leerläufen und Fehlern – oft verbunden mit Terminverzögerungen und Mehrkosten.
Hier setzt Integrated Project Delivery (IPD) an. Bei diesem zukunftsweisenden Ansatz bilden alle involvierten Partner eine Allianz. Sie sind vom Anfang bis zum Schluss ins Projekt eingebunden, bringen ihr Fachwissen und ihre Ideen ein. Das Resultat aus der kollaborativen Arbeitsweise: bessere Lösungen, Effizienzgewinne, finanzielle Vorteile und eingehaltene Termine.
Interviews statt Submissionen
Im Projekt «Zukunftspforte Menziken» will die Immobilienentwicklerin Steiner AG erstmals von diesen Vorteilen profitieren. Das bedingte gleich zu Beginn des Projekts ein anderes Verfahren für die Auswahl der Partner, so Christine Fluri, Manager Real Estate Development bei Steiner: «Normalerweise würden wir eine Submission machen und tendenziell den günstigsten Anbietern den Zuschlag geben. Bei diesem Projekt führten wir Infoveranstaltungen und Interviews durch, um die passenden Allianzpartner zu finden. Entscheidend waren neben fachlicher Kompetenz und Erfahrung auch Integrität und das Commitment zum kollaborativen Prozess.»
«Sind Sie mutig genug?»
Zu den Allianzpartnern zählt das Swisspower-Stadtwerk Eniwa. «Wir gingen auf Steiner zu, um über eine Zusammenarbeit bei Areallösungen zu sprechen», sagt Samuel Pfaffen, Leiter Unternehmensentwicklung. «Da fragte Steiner, ob wir mutig genug wären, in einem Projekt mit dieser neuen Methodik mitzuarbeiten. Wir brauchten nicht lange zu überlegen und bekundeten unser Interesse.»
Eniwa übernimmt im Projekt vor allem die Ausführung im Elektrobereich. Weil das Unternehmen aber schon in der Planung involviert ist, kann es frühzeitig wertvolle Vorschläge in der Konzeption aller Energiethemen einbringen – etwa im Wärmebereich: «Wir prüfen, einen Nahwärmeverbund in der Umgebung zu realisieren. Das beansprucht weniger Platz auf dem Areal, reduziert die Investitionskosten durch Skalierungseffekte und schafft auch für die umliegenden Gebäude im Quartier eine nachhaltige Wärmelösung – ganzheitlich gedacht über die Parzellengrenzen.»
«Es lohnt sich, am Anfang Geduld aufzubringen. Denn die IPD-Methodik treibt unsere Innovationskraft an und sorgt dafür, dass wir effizienter bauen.»
Geteilte Chancen und Risiken
Die IPD-Methodik bedingt eine spezielle Organisation. Sämtliche Allianzpartner im Projekt «Zukunftspforte Menziken» sind gleichberechtigt, unabhängig von der Grösse ihres Auftrags. Sie tragen nicht nur die Risiken gemeinsam, sondern partizipieren auch alle am Projekterfolg. Entsprechend müssen sämtliche Entscheidungen einstimmig getroffen werden.
Dabei gibt das Senior Leadership Team als strategisches Steuerungsgremium die grossen Linien vor, verhandelt das Vertragswerk und trifft die wichtigsten finanziellen Entscheide. Das Allianz Management Team wiederum leitet das Projekt auf operativer Ebene. Christine Fluri spielt als Allianz Managerin eine zentrale Rolle im IPD-Prozess: Sie schlägt die Brücke zwischen den beiden Gremien sowie zwischen der Auftraggeberin und der Allianz.
Kulturwandel nötig
Damit IPD-Projekte wie die «Zukunftspforte Menziken» zu einem Erfolg werden, braucht es laut Christine Fluri einen Kulturwandel weg vom Silodenken: «Die Beteiligten sollen sich nicht mehr nur fragen, was gut für die eigene Firma ist, sondern was das Beste fürs Projekt ist. Im Zentrum steht der gemeinsame Projekterfolg.» Samuel Pfaffen von Eniwa ergänzt: «Sollte etwas falsch laufen, suchen wir nicht nach den Schuldigen. Stattdessen finden wir zusammen eine Lösung für das Problem.»
Bei allen Vorteilen ist die IPD-Methodik auch mit Herausforderungen verbunden. Dazu gehört etwa, bei den konkreten Diskussionen nicht in alte Denkmuster zurückzufallen. Zudem lasten personelle Wechsel schwerer als bei klassischen Bauprojekten, weil der Erfolg stark von der Zusammenarbeit der einzelnen Personen über alle involvierten Firmen abhängt. Eine weitere Challenge: Das Kosten-Tracking beginnt bereits früh in der Planungsphase und die Ausführenden müssen Kostenschätzungen abgeben, bevor die Planung finalisiert ist. Weiter hat sich gezeigt, dass es sehr anspruchsvoll ist, Ausführende im Bereich HLKS zu finden, da diese Branche ohnehin gut ausgelastet ist.
«Die Beteiligten sollen sich nicht mehr nur fragen, was gut für die eigene Firma ist, sondern was das Beste fürs Projekt ist. Im Zentrum steht der gemeinsame Projekterfolg.»
Zu Beginn Geduld gefragt
Wie stark sich die Effizienzvorteile des IPD-Ansatzes schon beim Projekt «Zukunftspforte Menziken» einstellen, wird sich zeigen. Für Samuel Pfaffen ist aber klar: «Es liegt in der Natur der Sache, dass wir die positiven Effekte wegen des grossen Initialaufwands noch nicht beim ersten IPD-Projekt voll ausschöpfen können. Doch spätestens beim zweiten Projekt der gleichen Allianz werden sie zur Geltung kommen. Dafür intern Verständnis zu schaffen, gehört zu meinen Aufgaben im Projekt. Meine Botschaft: Es lohnt sich, am Anfang Geduld aufzubringen. Denn die IPD-Methodik treibt unsere Innovationskraft an und sorgt dafür, dass wir effizienter bauen.»
Interessant für Stadtwerke
Mit dem Projekt «Zukunftspforte Menziken» wollen Steiner, Eniwa und die übrigen Allianzpartner den Beweis antreten, dass die IPD-Methodik funktioniert – und so die Skepsis in der Branche abbauen. Für welche nächsten Vorhaben eignet sich der Ansatz? «Die Projekte brauchen eine gewisse Grösse und Komplexität, damit sich der Aufwand lohnt», ist Christine Fluri überzeugt.
Aus Sicht von Samuel Pfaffen sind IPD-Ansätze auch für eigene Projekte der Stadtwerke prüfenswert. Das gilt besonders in jenen Bereichen, die keine Ausschreibung zwingend vorgeben: «Für Wärmeverbünde zum Beispiel ist IPD ein sehr spannender Ansatz. Eine kollaborative Zusammenarbeit aller Involvierten ist auf die lange Frist nachhaltiger.»