Patrik Feusi, Geschäftsführer von Limeco: «Wer soll es sonst machen, wenn nicht wir?»

Limeco hat ein komplexes Generationenprojekt gestartet: Im Rahmen der Erneuerung von ARA und KVA soll in den kommenden 30 Jahren das Limmattaler Energiezentrum entstehen. Wie packt die Interkommunale Anstalt das an? Wir haben bei Geschäftsführer Patrik Feusi nachgefragt.

Das Bundesamt für Energie hat Ihre Power-to-Gas-Anlage mit dem diesjährigen «Watt d’Or» ausgezeichnet. Herzliche Gratulation dazu! Wie haben Sie die Auszeichnung gefeiert?

Patrik Feusi: Am Abend der Preisverleihung hatte ich noch einen weiteren Anlass mit der Exekutive unserer Trägerschaft. Ich nahm den Preis also im Namen unserer Kooperationspartner in Bern entgegen und fuhr dann mit der Trophäe im Gepäck gleich zurück nach Dietikon. Dort präsentierte ich den «Watt d’Or» den Sitzungsteilnehmern. Einige Tage später bot unser Jahresanfangsessen mit den Mitarbeitenden die richtige Gelegenheit, um die Auszeichnung würdig zu feiern.


Wie wichtig ist dieser renommierte Schweizer Energiepreis, um für Ihre nächsten Pläne Vertrauen zu schaffen?

Wenn Sie in der Schweiz etwas wagen, haben Sie zu Beginn immer etwa 20 Prozent Unterstützer und 20 Prozent Kritiker, denen Sie es sowieso nie recht machen können. Die restlichen 60 Prozent bilden sich nicht gleich eine Meinung, sondern müssen sich zuerst an etwas orientieren können. Für diese Personen ist ein Preis wie der «Watt d’Or» ein wichtiges Zeichen, weil glaubwürdige externe Experten das umgesetzte Projekt honorieren. Das schafft einen Vertrauensbonus und verankert die Einsicht: Egal, welche weiteren Pläne Limeco hat – so falsch können sie nicht sein.


In den kommenden rund 30 Jahren will sich Limeco zum Limmattaler Energiezentrum entwickeln. Was heisst das konkret?

Unsere Vision ist, dass bis 2050 das ganze Limmattal mit CO2-neutraler Energie versorgt wird. Dazu wollen wir einen Multi-Energy-Hub erstellen, in den auch Anlagen von Kooperationspartnern eingebunden werden können. Mehrere Anlagen dafür betreiben wir heute schon: ARA, KVA, Power-to-Gas-Anlage. Sie sind wie Puzzleteile, die in den kommenden Jahren erneuert, um weitere Teile ergänzt und optimal zusammengesetzt werden. Intelligent verknüpft und gesteuert sorgen die Anlagen dafür, dass zum richtigen Zeitpunkt die richtige Menge der richtigen Energie in der richtigen Qualität am richtigen Ort zur Verfügung steht.


Wie gehen Sie vor, um diesen Multi-Energy-Hub zu realisieren?

Zuerst müssen wir das Pflichtprogramm erledigen: die KVA und die ARA erneuern. Sobald diese Projekte aufgegleist sind, befassen wir uns mit der zusätzlichen Stromproduktion. Wir wollen künftig einen wesentlich grösseren Beitrag gegen die Winterstromlücke leisten. Last but not least wird die saisonale Speicherung eines der relevanten Puzzleteile sein, auch wenn sie derzeit noch weit unten auf unserer Projektagenda steht. Denkbar sind etwa Geospeicher, bei denen Energieträger mit hoher Energiedichte im Sommer unterirdisch eingespeichert und im Winter ausgespeichert werden.


Und wie geht es mit der Power-to-Gas-Anlage weiter?

Mittelfristig werden wir sie für den Multi-Energy-Hub ausbauen, noch effizienter betreiben und intelligenter steuern.


Was motiviert Sie, bei der Transition der Wärmeversorgung im Limmattal eine so zentrale Rolle zu spielen?

Ich spreche nicht für mich persönlich, sondern fürs ganze Unternehmen: Uns allen ist bewusst, dass unser Standort ideale Voraussetzungen bietet, um einen Multi-Energy-Hub zu realisieren. Davon leiten wir unsere Verantwortung ab, die Energie- und Klimawende in der Region stark voranzutreiben. Wer soll es sonst machen, wenn nicht wir?


Drei interdisziplinäre Teams haben für das Limmattaler Energiezentrum je eine Testplanung erstellt. Weshalb haben Sie sich für dieses Vorgehen entschieden? Und was hat es gebracht?

Wir befinden uns in einem dicht besiedelten Gebiet mit verschiedensten Interessen und Stakeholdern. Da sind Interessekonflikte jeglicher Art vorprogrammiert. Die drei Testplanungen haben verschiedene Szenarien in Extremen durchgespielt und aufgezeigt, welche Konsequenzen dies auf andere Faktoren hat. Ein Beispiel: Aus Sicht des Vogelschutzes sind niedrige Gebäude wünschenswert. Um diesem Bedürfnis nachzukommen, müssten wir möglichst viele Räume unterirdisch bauen. Doch dies tangiert die Interessen des Grundwasserschutzes. Die Testplanungen haben uns also Limitationen aufgezeigt und gleichzeitig eine Synthese ermöglicht, um die verschiedenen Interessen bestmöglich einzubinden. Diese Synthese ist nun die Basis für die weitere Projektierung.


Bis 2050 rechnen Sie mit Investitionen von bis zu einer Milliarde Franken. Welche Rahmenbedingungen sind nötig, damit Sie diese Mittel finanzieren können?

Erstens muss das Vorhaben ökologisch sinnvoll sein. Damit meine ich, dass der Mehrwert, den wir mit dem Limmattaler Energiezentrum für Klima und Umwelt schaffen, deutlich grösser ist als die damit verbundenen negativen Effekte wie Lärm und Verkehr. Zweitens muss das Limmattaler Energiezentrum langfristig wirtschaftlich sein. Wenn wir diese zwei Kriterien erfüllen, ist die Finanzierung erfahrungsgemäss kein Problem. Wir haben schon einmal einen eigenen Bond über 120 Mio. CHF herausgegeben und nach diesem Ansatz verkauft. Die Investoren haben ihn uns förmlich aus den Händen gerissen.


Patrik Feusi, Geschäftsführer von Limeco
Patrik Feusi, Geschäftsführer von Limeco
«Uns allen ist bewusst, dass unser Standort ideale Voraussetzungen bietet, um einen Multi-Energy-Hub zu realisieren.»

Viele andere Infrastrukturbetriebe und Stadtwerke arbeiten ebenfalls an der Transition der Wärmeversorgung. Welches Vorgehen ist aus Ihrer Sicht am erfolgversprechendsten?

Ein kooperatives Vorgehen mit allen beteiligten Stakeholdern – vor allem mit Trägerschaft, Nachbarn, Politik und Bevölkerung. Es geht darum, zu kommunizieren, einzubinden, Sachverhalte aufzuzeigen, sich sichtbar zu machen. Da sind wir wieder am Anfang: Der «Watt d’Or» hilft uns, Aufmerksamkeit zu generieren.


In welchen Bereichen macht bei der Transition der Wärmeversorgung eine Zusammenarbeit
zwischen den Stadtwerken Sinn? Welche Synergien sehen Sie?

Infrastrukturbetriebe und Stadtwerke haben viel intrinsische Motivation. Wir alle wollen etwas Gutes bewirken und verfolgen das gleiche Ziel: die Energie- und Klimawende zu schaffen. Synergien entstehen, wenn wir Erfahrungen sammeln und teilen, etwa durch unsere Power-to-Gas-Anlage, sodass die anderen davon profitieren können. Dafür steht ja Swisspower. Zusätzlich ist es uns wichtig, regionale Synergien zu nutzen.


Können Sie ein Beispiel für solche regionalen Synergien machen?

Die Regionalwerke AG Baden baut wie wir ihr Fernwärmenetz aus. Warum also nicht unsere Netze verbinden und die vorhandenen Energie- und Abwärmequellen besser ausschöpfen? Wir könnten der Regionalwerke AG Baden im Sommer überschüssige Wärme liefern, damit sie ihre mit Primärenergie betriebenen Heizkessel nicht laufen lassen muss ­– eine Win-win-Situation, die auch der Wirtschaftlichkeit beider Unternehmen dienen würde. Wenn man gemeinsam etwas Grosses realisiert, ist das in der Regel besser, als wenn jeder etwas im kleinen Rahmen macht. Es bedingt aber auch, dass die Unternehmen gewisse eigene Interessen zu Gunsten des Gemeinwohls hinten anstellen.


Welches sind die nächsten Schritte auf dem Weg zum Limmattaler Energiezentrum?

Der nächste Schritt ist die Urnenabstimmung zum Projektierungskredit, damit wir mit der konkreten Projektierung beginnen können. Als Fundament für die Projektphase bereiten wir zurzeit den Schlussbericht zur Testplanung vor, in den die Synthese und die Rückmeldungen dazu einfliessen. Parallel erarbeiten wir mit dem Gestaltungsplan das Instrument, das uns in baurechtlichen Fragen Planungssicherheit gibt. Kommen die Arbeiten wie geplant voran, sollte bis 2026 ein Projekt vorliegen, das wir der Bevölkerung zur Abstimmung unterbreiten können.