Von Jan Flückiger, Leiter Public Affairs und Kommunikation von Swisspower
«Der Schweiz geht der Strom aus», titelte die NZZ am Sonntag jüngst und bezog sich dabei auf eine Studie der Empa. Im Winterhalbjahr würden der Schweiz mittelfristig rund 22 TWh Strom fehlen, so die Kernaussage. Nun sind exakte Prognosen bekanntlich schwierig – vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen. Unbestritten ist, dass die Schweiz wegen des Wegfalls der Kernkraftwerke, der Elektrifizierung von Mobilität und Wärme und trotz Effizienzbemühungen und starkem Ausbau der Erneuerbaren künftig ein zunehmendes Produktionsdefizit im Winter aufweisen wird. Noch vor Jahresfrist hiess es aus dem zuständigen Departement, es sei kein Problem, diese Lücke mit Importstrom zu füllen. Jetzt hat der Wind spürbar gekehrt. Denn unsere Nachbarländer sind in absehbarer Zeit mit ähnlichen Problemen konfrontiert. Der scheidende ElCom-Präsident Carlo Schmid spricht von einer vertretbaren Menge von Importen auf ungefähr dem heutigen Niveau – das heisst rund 4 TWh.
Realistische und weniger realistische Optionen
Woher also kommt der Rest? Dafür gibt es diverse Möglichkeiten: ein forcierter Zubau von Photovoltaikanlagen in den Alpen, neue Technologien zur saisonalen Speicherung – zum Beispiel Power-to-X und Wärmespeicher –, Windkraftanlagen, Geothermie, Gaskombikraftwerke oder dezentrale WKK-Anlagen. Sinnvollerweise wird es eine Kombination sein. Aus heutiger Sicht gibt es jedoch realistische und weniger realistische Optionen. So dürfte die Akzeptanz grösserer Windkraftanlagen in der Bevölkerung bis auf Weiteres gering bleiben. Und Tiefenbohrungen, die für die Erschliessung des Potenzials der Geothermie nötig wären, stossen ebenfalls auf Widerstand. Auch Gaskombikraftwerke haben in der Schweiz voraussichtlich einen schweren Stand: Um ihren CO2-Ausstoss auf ein gesellschaftlich und politisch akzeptiertes Mass zu beschränken, dürften sie nur dann laufen, wenn sie wirklich gebraucht würden. Das würde Bau und Betrieb noch teurer machen, als er sowieso schon wäre.
Regulatorische Hürden abbauen
Um den Bau von winteroptimierten Photovoltaikanlagen voranzutreiben, sind entsprechende Anreize nötig. Denkbar wären gezielte Ausschreibungen für grössere Anlagen oder Förderbeiträge für kleinere Anlagen, deren Höhe sich am erzielten oder erwarteten Winterertrag bemisst. Bei der saisonalen Speicherung müssen regulatorische Hürden fallen, damit neue Technologien wie Power-to-Gas gleich lange Spiesse erhalten. Zum Beispiel sollen Speicher, die einen Beitrag zur Dekarbonisierung des Gesamtenergiesystems leisten, gleichbehandelt werden wie Pumpspeicherkraftwerke, also vom Netzentgelt für den Strombezug befreit werden – zumindest dann, wenn sie erneuerbaren Überschussstrom verwenden. WKK-Anlagen schliesslich haben grosses Potenzial, einen signifikanten Beitrag an eine effiziente Wärme- und Stromversorgung im Winter zu leisten. Doch auch hier braucht es regulatorische Anpassungen: Für ihren Anteil in der Stromproduktion müssen auch kleine WKK-Anlagen von der CO2-Abgabe befreit werden – so wie dies für grössere bereits der Fall ist. Und im Rahmen der MuKEn oder bei allfälligen künftigen CO2-Grenzwerten für Gebäude sind Areallösungen bzw. Durchschnittswerte für die Berechnung des CO2-Ausstosses zuzulassen. Mittelfristig sind WKK-Anlagen das ideale Gegenstück zu Power-to-Gas-Anlagen: Aus dem Sommerüberschuss wird erneuerbares Gas, das im Winter wiederum zur CO2-neutralen Wärme- und Stromproduktion verwendet wird.
Investitionen in Erneuerbare im Inland sicherstellen
Darüber hinaus muss der Ausbau der ganzjährigen inländischen erneuerbaren Stromproduktion beschleunigt und der Erhalt der bestehenden Grosswasserkraft gesichert werden. Deshalb ist es unabdingbar, bereits im Rahmen der StromVG-Revision ein Instrument im Gesetz zu verankern, das die Investitionen in den Ausbau der Erneuerbaren gemäss den Zielen der Energiestrategie 2050 sicherstellt.