Sind Sie zufrieden mit dem Entwurf für die Revision des Energiegesetzes?
Er enthält einige positive Aspekte. Der Bundesrat will die Ausbauziele bei der erneuerbaren Stromproduktion für verbindlich erklären. Zudem möchte er die Investitionsbeiträge für Kleinanlagen weiterführen und die Beiträge für die Grosswasserkraft erhöhen. Und für grosse Photovoltaikanlagen soll es künftig wettbewerbliche Ausschreibungen geben. Trotzdem besteht noch Verbesserungsbedarf.
Wo sollte der Bundesrat aus Ihrer Sicht nachbessern?
Zum einen geht es um die Frage, wie die Ausschreibungen für Grossanlagen konkret gestaltet werden. Wir sind der Meinung, dass es nicht Investitionsbeiträge braucht, sondern eine Absicherung der Investitionsrisiken, beispielsweise mit einer gleitenden Marktprämie. Dies aus drei Gründen: Erstens fehlt es den Grossinvestoren nicht an Kapital. Der Grund, wieso hierzulande nicht in grosse Anlagen investiert wird, ist die fehlende Absicherung gegenüber den Marktrisiken – also stark fallenden Strompreisen. Zweitens ist eine gleitende Marktprämie aus volkswirtschaftlicher Sicht effizienter: Sie kostet nur dann, wenn die Marktpreise effektiv unter den offerierten Gestehungskosten liegen. Und drittens lässt sich mit einer Vergütung auf der gelieferten Strommenge auch gezielter die Produktion von Winterstrom fördern.
Und was sind die anderen kritischen Punkte?
Aus unserer Sicht fokussiert der Entwurf bei den grossen Anlagen zu sehr auf die Photovoltaik. Ausschreibungen sollten aber für sämtliche Technologien ab einer gewissen Grösse möglich sein. Natürlich müssten diese dann differenziert nach Technologie ausgestaltet werden. Zudem lässt die Vorlage eine wichtige Frage offen: Wie wird die Erneuerung der Grosswasserkraft – das Rückgrat unserer Stromversorgung – künftig finanziert? Schliesslich ist es aus unserer Sicht bedauernswert, dass Lenkungsabgaben derzeit kein Thema mehr sind.
Der Bundesrat hat gleichzeitig auch die Eckpunkte zum StromVG verabschiedet. Dort geht es unter anderem um die vollständige Strommarktöffnung. Wie positioniert sich Swisspower dazu?
Wir haben immer gesagt, dass die Marktöffnung nicht isoliert, sondern im Kontext der Investitionsanreize für die inländischen erneuerbaren Energien betrachtet werden muss. Es ist also zu früh für ein definitives Urteil. Wir werden diese Frage diskutieren, wenn die definitive Botschaft zum Energiegesetz vorliegt. Fraglich ist auch, wie stark die Grundversorgung in einem geöffneten Markt noch reguliert sein muss.
Wie beurteilen Sie die weiteren Beschlüsse des Bundesrates zum StromVG?
Wir sind erstaunt, dass der Bundesrat an der Liberalisierung des Messwesens festhält, obwohl die Vernehmlassung gezeigt hat, dass diese kaum eine breite Unterstützung findet. In anderen Ländern ist zu sehen, dass der volkswirtschaftliche Nutzen in keinem Verhältnis zu den Kosten steht. Es ist für die Stadtwerke schwierig, dass sie einerseits den Smart-Meter-Rollout gesetzlich verordnet vorantreiben müssen, und man ihnen gleichzeitig die Verantwortung für das Messwesen wegnehmen will. Das ist ein grosser Widerspruch.
Wie halten Sie von der regulatorischen «Sandbox», die der Bundesrat schaffen will?
Dieser Vorschlag ist sehr positiv. Gerade im Bereich der Digitalisierung gibt es viele Projekte, die an der heutigen Regulierung scheiten. Eine solche Sandbox erlaubt es, mögliche Lösungen zu testen. Das gleiche gilt für neuartige Speichertechnologien wie Power-to-Gas-Anlagen.
Stichwort Speicher: Der Bundesrat möchte Speicher generell als Endverbraucher qualifizieren. Was sagen Sie dazu?
Das zementiert die heutige Ungleichbehandlung von Speichertechnologien. Pumpspeicher werden gegenüber anderen Technologien bevorzugt. Das kann nicht sein. Ein Speicher, der Energie aus dem Netz bezieht und wieder abgibt, soll nur auf den Verlusten Netzentgelte bezahlen müssen. Aus unserer Sicht sollte dies auch für sektorübergreifende Speicher wie Power-to-Gas-Anlagen gelten, welche die umgewandelte Energie wieder in ein öffentliches Netz einspeisen. Sie tragen nämlich wesentlich dazu bei, einerseits die Sektoren Industrie, Wärme und Verkehr zu dekarbonisieren und andererseits das saisonale Speicherproblem zu lösen. Hier erwarten wir von der Politik eine Nachbesserung.
Wie geht es mit den beiden Vorlagen jetzt weiter?
Die Vernehmlassung zum Energiegesetz läuft bis zum 12. Juli 2020. Swisspower wird sich innerhalb der Arbeitsgruppe Strommarktdesign damit auseinandersetzen und sicherlich auch zu den kritischen Punkten im StromVG nochmals Stellung nehmen. Wir erwarten, dass der Bundesrat Ende Jahr zu beiden Gesetzen eine Botschaft präsentiert. Die beiden Geschäfte sollten unseres Erachtens verknüpft oder zumindest zeitgleich im Parlament behandelt werden, da sie inhaltlich stark zusammenhängen.